Die ersten Sonnenstrahlen wärmen die Erde, Knospen öffnen sich langsam und frische Blütenfarben sind zu entdecken – es ist Frühling im Wald. Für viele ist das die schönste Zeit im Jahr, weil sie so viel Lebensfreude und Energie ausstrahlt. Am liebsten würde man sich dieses Gefühl einfangen und mit nach Hause nehmen. Geht das vielleicht sogar? Euer neues Hobby: Herbarisieren.
Wie, wo, was darf ich denn herbarisieren?
Einfach im Wald Blüten und Blätter abreißen, weil ich sie gerne haben will. Klingt irgendwie verboten, oder? Wenn man sich an einen gewissen Rahmen hält, ist es das aber nicht.
Was wir laut Naturschutzgesetz nicht dürfen, ist „Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten.“ Es kommt also auf die Begründung an. Darunter zählt zum Beispiel der Verzehr in haushaltsüblichen Mengen. Wir dürfen also Pilze oder Bärlauch sammeln, um sie zu essen. Als Begründung gelten aber auch der Bildungszweck oder das Sammeln. Unser Herbarium fällt unter beide Aspekte. Grundsätzlich ist es Euch also erlaubt, schöne Blätter und Blüten zu sammeln, aber ganz so einfach ist es leider doch nicht.
Das gilt nämlich nicht überall. In Naturschutzgebieten darf nichts gepflückt werden. Die Natur soll hier geschützt werden und sich möglichst ohne den Einfluss des Menschen entwickeln. Das Finden von Arten ist hier ohnehin schwierig, weil Ihr hier die Wege nicht verlassen dürft. Auch einzelne Arten können unter Naturschutz stehen. Diese dürfen nie gepflückt werden, egal wo sie stehen. Deshalb ist es wichtig, die Pflanzen immer vor dem Pflücken zu bestimmen.
Vor dem Herbarisieren: Bestimmen von Blättern und Blüten
Wer sich für den Wald begeistern kann, sieht in seinen Arten schnell mehr als nur schöne Farben und Formen. Je mehr man sich mit der Artenkunde auseinandersetzt, desto größer wird meist auch das Interesse. Wir lassen uns von den Besonderheiten der einzelnen Arten faszinieren, doch dafür müsst Ihr die Pflanze erst sicher bestimmen. Was genau habe ich denn hier vor mir stehen und darf ich das überhaupt pflücken?
Niemand kennt alle Arten, das ist völlig klar. Deshalb müssen Hilfsmittel her. Im Falle von Forststudierenden musste es leider ausführliche Bestimmungsliteratur wie der Schmeil-Fitschen in der (wirklich fast) 100sten Auflage sein. Ein endlos langes und ebenso langwieriges, bilderloses Buch, mit dem man systematisch alle Arten ausschließt, bis es nur noch eine Pflanze sein kann. Klingt kompliziert und fehleranfällig? Ist es auch.
Moderne Pflanzenbestimmung statt altmodischer Wälzer
Zum Glück gibt es mittlerweile tolle Alternativen. Vor allem für Anfänger:innen ist es sinnvoll, mit Fotos und illustrierten Abbildung zu arbeiten. Somit kann man schwierige Fachbegriffe zur Beschreibung von Pflanzen umgehen. Oder wisst Ihr etwa, was ein Perigon oder eine Ligula ist? Für eine einfache Bestimmung unterwegs eignen sich beispielsweise die Bücher “Was blüht denn da?”. Damit kann man sehr einfach vergleichen, welche Pflanze man vor sich hat. Es gibt aber natürlich auch viele andere Bücher, die zum Teil auch auf Regionen bezogen sind.
Wer digital unterwegs ist und keine Lektüre mitschleppen will, ist mit Flora Incognita gut ausgestattet. Die App leitet Euch Schritt für Schritt mit Fotos durch die Bestimmung. Der einzige Nachteil daran: Ihr braucht eine Internetverbindung. Wenn Ihr mehr als nur Pflanzen bestimmen wollt, lohnt sich die App ObsIdentify. Beide sind kostenfrei. Wenn Ihr mehr über Bestimmungs-Apps erfahren möchtet, könnt Ihr hier mehr dazu erfahren.

Wusstest Du schon…?
… dass nicht alle geschützten Arten auch unbedingt selten sind? Leider passiert es schneller, als man denkt, dass man unbewusst verbotene Arten pflückt. Neben den schönen Leberblümchen und Schlüsselblumen sind zum Beispiel auch viele Ulmen und die Stechpalme (Ilex aquifolium) geschützt. Wenn Du nicht genau weißt, ob eine Pflanze einen Schutzstatus hat, kannst Du das verlässlich auf dieser Seite vom Bundesamt für Naturschutz nachlesen. Es ist laut § 44.1.4 des Bundesnaturschutzgesetzes verboten, wild lebende Pflanzen von besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen oder sie zu beschädigen. Im Zweifel wird dies auch mit Bußgeldern bestraft. Es ist also immer besser, zweimal hinzuschauen.
Eigenverantwortung ist gefragt
Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch unbedingt sinnvoll. Es ist ein Privileg, dass wir unsere Natur hier in Deutschland so intensiv erleben können und dürfen. Mit dieser Verantwortung sollten wir bewusst umgehen. Wenn Ihr eine einzelne wunderschöne Blüte findet, lasst sie bitte stehen. Mit ein bisschen Glück kann sie sich vermehren und ihre Art dort etablieren. Als grobe Orientierung könnt Ihr Euch an die 1-zu-20-Regel halten. Sehe ich mindestens 20 andere Individuen von dem, was ich pflücken möchte? Falls nicht, macht lieber nur ein Foto davon.
Die Schönheit der Natur haltbar machen
Das Sammeln von Pflanzen ist gut zum Lernen, aber auch zum Staunen und Freuen. Wenn diese Freude bleiben soll, muss man die empfindlichen Blätter und Blüten trocknen und somit haltbar machen. Beim sogenannten Herbarisieren werden gesammelte Pflanzenteile in einer speziellen Presse getrocknet und anschließend behutsam auf ein festes Papier beklebt.
Fangen wir aber ganz in Ruhe von vorne an. Wenn Ihr Eure Lieblingspflanzen in einem Herbarium festhalten wollt, gibt es einiges zu beachten. Die Qualität des gesammelten Materials ist wichtig. Wenn Ihr die Pflanzen im Sommerzustand, also mit grünen Blättern, konservieren wollt, achtet darauf, dass Ihr nicht zu früh losgeht, damit die Blüten und Blätter sich schon voll entwickelt haben. Wenn Ihr die passende Pflanze gefunden habt, könnt Ihr sie zuerst in einem luftdichten Behältnis aufbewahren oder übergangsweise in ein Buch legen. Denkt daran, Euch Notizen zu machen, denn zuhause wird die Pflanze schon wieder anders aussehen. Für den nächsten Schritt braucht Ihr am besten eine Blattpresse. Diese übt viel Druck auf die Pflanze aus, um sie flach und trocken zu bekommen. Die Pressen kann man einfach selber machen, so wie hier oder etwas aufwändiger wie hier. Ein paar schwere Bücher tun es aber auch.
Je schneller Ihr presst, desto besser
Je schneller Ihr die Pflanzen zum Herbarisieren presst, desto besser. Die feuchten Pflanzen müssen zwischen reichlich trockenem Papier oder Pappe ordentlich ausgelegt werden. So stellt Ihr sicher, dass man die wichtigen Merkmale wie die Blüten später in all ihrer Pracht bewundern kann. Die Pflanzen sollten sich dabei nicht überlappen. Deswegen werden sie mit Papier oder Pappe voneinander getrennt. Während des Trocknungsprozesses solltet Ihr die Presse gut im Blick behalten. Andernfalls könnte es passieren, dass die feuchten Pflanzen anfangen zu schimmeln. Je nach Luftfeuchtigkeit sollte aber alles nach ein paar Tagen trocken sein. Leider kann es passieren, dass die schönen Farben verblassen oder verloren gehen. Das ist ganz normal.
Wenn Ihr die Pflanzen im Winterzustand sammelt, also nur Zweige mit Knospen oder Nadeln, entfällt das Pressen. Es ist ausreichend, wenn sie an der Luft trocknen.
Nun könnt Ihr mit dem geschaffenen Kunstwerk machen, was Ihr wollt. Für ein klassisches Herbarium befestigt Ihr die Blätter und Blüten auf festem Papier. Dafür könnt Ihr schmale Papierstreifen drüber kleben oder die festeren Zweige mit Draht oder Garn am Papier fixieren.Vollendet wird das Ganze mit einem Etikett, auf dem Informationen wie die Art, der Fundort oder das Sammeldatum aufgelistet sind. So könnt Ihr das systematisch in einem Ordner sammeln.

Jetzt bleibt uns nicht viel mehr als Euch viel Spaß beim Bestimmen, Sammeln und Herbarisieren zu wünschen.
Quellen:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/pflanzen/pflanzen-schuetzen/blumen-pfluecken.html
https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__44.html
Vorlesung Uni Göttingen: Morphologie und Systematik der Pflanzen von Prof. Dr. Holger Kreft