Egal ob Joghurtbehälter aus dem Kühlregal, Mehrwegflaschen, Auflaufformen oder das typische Trinkglas – unser Alltag ist durch Glasprodukte bereichert. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der wir dieses fragile Gut heute benutzen, war nicht immer gegeben. Vor der Etablierung der Glasindustrie waren Trinkgläser, Glasflaschen und Fensterscheiben so teuer, dass nur Adel, reiche Bürgerfamilien, Klöster oder Könige sie genutzt haben. Und was noch viel weniger bekannt ist: In unseren Wäldern wurde grünliches Glas hergestellt, das sogenannte Waldglas! In diesem Artikel erfahrt Ihr mehr über diese besonderen Gläser und wieso niemand von ihnen weiß. 

Wie das Glas in unsere Wälder kam

Bereits in der Antike stellten die Menschen Glas her. Zu Zeiten der Römer mischten sie dafür Sand, Soda und Kalk. Diese Zutaten werden anschließend in einem Ofen bei hohen Temperaturen geschmolzen, bevor sie zu Gläsern oder anderen Gefäßen geformt werden. Die dem Handel zugewandten Römer bekamen das Soda aus Ägypten. Doch als die Handelsbeziehungen durch politische und versorgungstechnische Veränderungen ab dem 9. Jahrhundert schwieriger wurden, kam es zu einer Knappheit des Rohstoffes und somit auch des Glases. Die Glasherstellung musste auf heimische Rohstoffe umgestellt werden, damit der reichere Teil der Bevölkerung es weiterhin als Prestigeobjekt vorzeigen konnte. 

So bauten die Glasmacher im Wald Hütten mit Öfen, in denen sie das Glas herstellen. Damit saßen sie direkt an der Quelle für die Rohstoffe, die sie für die Herstellung benötigten.

Jedes Glas ist auf seine Weise individuell: Diese besonderen Waldglas-Gläser sind im Glasmuseum Wertheim erhalten.

Zutaten des Waldes – Die Mischung macht’s

Zwei Zutaten verwendeten die Glasmacher für das Waldglas: Sand und Holzasche. 

Quarz-Sand bildete die Grundlage des Herstellungsprozesses. Dieser gewaschene Sand stammte aus Sandinseln im Buntsandstein und aus Bächen der Umgebung. Im Buntsandstein, sowie in der Holzasche befindet sich Eisenoxid. Selbst bei kleinen Anteilen des Eisens färbten sich die Gläser grün. Neben dem Standort prägte somit auch die Farbe des Glases den Namen “Waldglas”. 

Die Holzasche war dafür zuständig, den Schmelzpunkt des Gemenges zu senken. Quarz schmilzt ohne ein sogenanntes Flussmittel (hier Holzasche) erst bei über 1.700°C. Damals war es mit einem hohen Aufwand verbunden, diese Temperaturen in den Öfen zu erreichen. Mit der Holzasche schmolz das Quarz zwar noch nicht bei Backofentemperatur, aber es reichten 1250°C. 

Waldglas geboren aus der Asche

Eine weitere Zutat war seit dem späten 17. Jahrhundert Kalk aus Muschelkalkgebieten. Dieser Rohstoff machte die Gläser haltbarer und beständiger gegen Korrosion, hemmte also die Zersetzung des Glases. Das bedeutete aber auch, dass die Waldglashütten der Einfachheit halber sowohl in der Nähe von Buntsandstein, als auch von Muschelkalk gebaut werden mussten.

Ebenfalls ab etwa dem 17. Jahrhundert wurde für farbloses Glas die sogenannte Pottasche eingesetzt. So nannte man die ausgelaugte Asche aus verbranntem Buchenholz. Sie wirkte wie zuvor die Holzasche ebenfalls als Flussmittel, um die Schmelztemperatur zu senken. So benötigten die Glasmacher aber nicht nur für ihre Brennöfen Holz, sondern auch für die Pottasche. Die meisten Waldglashütten siedelten sich direkt in Laubwäldern an. 

Wusstest Du schon…?
Auch das Glas, welches Pottasche enthält, wird noch als Waldglas bezeichnet. Die Pottasche selbst hat durch die besondere Verarbeitung einen hohen Mangananteil. Achtung, jetzt wird’s nerdy: Das farblose Glas entstand durch sogenannten Über- bzw. Entfärben. Manganoxid (welches in der Pottasche enthalten war) wurde als Glasmacherseife genutzt. Der Grünstich durch das Eisenoxid im Glas wurde so durch die Komplementärfarbe Rot des Manganoxid aufgehoben bzw. gemildert.  

Glasbläser Ralf Marlok in unserer heutigen Zeit im Glasmuseum Wertheim e.V.

Waldglashütten – Eine neuartige Betriebsform 

Noch heute kann man die Fundamente der Waldglashütten in einigen Wäldern wie zum Beispiel im Spessart finden. In ihnen befanden sich die Glasöfen, die aus Steinen der Umgebung gebaut wurden. Der Bau der Öfen im Inneren der Hütten bot den Vorteil, dass sie nicht nur die Glasmacher, sondern auch das Glas vor äußeren Einflüssen schützten. In den Hütten standen mehrere Öfen. Die heißesten dienten dazu, das Glas zu schmelzen, während weniger heiße Öfen das langsame Abkühlen ermöglichten. Dadurch entstanden keine Risse aufgrund innerer Spannungen.

Bei der Herstellung schmolzen die Glasmacher die Rohstoffmasse in hitzebeständigen Gefäßen aus Ton und Keramik, den sogenannten Häfen. Anschließend wickelten sie die heiße Masse um das Ende eines hohlen Metallstabs. Durch Hineinblasen blähte sich das Glas auf und ließ sich zu einem Gefäß formen. In einem aufwendigen Prozess, bei dem sie das Glas immer wieder erhitzten und formten, entstanden schließlich die Waldglasgefäße.

In den Wäldern des Sandstein-Spessarts ist dieses Fundament einer Waldglashütte 1979 ausgegraben worden. Der hölzerne Überbau ist bereits verfallen. 

Der Holzverbrauch geht durch die Decke 

Neben der Pottasche für die Gläser, benötigten die Glasmacher auch Holz für die Beheizung der Öfen. Um die geforderten Temperaturen zu erreichen, musste jedoch sehr viel Holz eingeschlagen werden. Für Pottasche- und Brennholzgewinnung benötigten die Glasmacher circa 2000 – 3000 Festmeter Holz pro Jahr. Das entspricht Schätzungen zufolge 20 – 30 Hektar Wald im Jahr und pro Glasmacherhütte. Wenn das Holz der Umgebung abgeholzt war, zogen die Glasmacher mit ihren Hütten weiter. Sie ließen ihre Hütten zurück und bauten an einer anderen Stelle im Wald eine neue. So entstand auch der Name “Wanderglashütten”. 

Die ehemaligen Hüttenstandorte boten der Bevölkerung durch die Abholzung oftmals den Platz, um neue Siedlungen aufzubauen. Durch die Waldglasmacherei konnten sich diese Waldstandorte nicht in ihren ursprünglichen Zustand zurückentwickeln. Blieb eine Fläche sich selbst überlassen, sorgte die Naturverjüngung für die Wiederbewaldung. Ab dem 18. Jahrhundert forsteten Menschen die Flächen gezielt mit Nadelhölzern auf. Im Grunde wurde den Waldglasmachern dadurch auch die Möglichkeit genommen, an die alten Standorte zurückzukehren. Denn obwohl Wald länger braucht, um nachzuwachsen, war die Waldglasherstellung bis in das 18. Jahrhundert relevant. Somit hätte eine Aufforstung mit Laubwald durchaus Sinn gemacht. Doch der Holzbedarf stieg nicht nur durch die Glaserzeugung, sondern auch durch das Bevölkerungswachstum und den Bedarf an Heizmittel. 

Laubwälder waren für die Waldglasherstellung von großer Bedeutung, um die aus Buche gewonnene Pottasche herstellen zu können. 

Das Ende des Waldglases 

Durch den steigenden Nutzungsdruck auf die Waldstandorte galt die Waldglasherstellung bereits damals als kritische Branche. Die zurückgelassenen, degenerierten Wälder führten in einigen Teilen Deutschlands sogar dazu, dass man die Waldglasherstellung aus den Waldregionen verbannte. Neben der Jagd und der Nutzung des Holzes für Heizzwecke, stand die Waldglasmacherei auch in Konkurrenz mit der Köhlerei. Darüber hinaus entwickelte sich in Frankreich eine Glasindustrie, gegen die die Waldglasmacher nicht ankommen konnten. Maschinen und die Herstellung des fragilen Gutes in Massen lösten die im kleinen Stil arbeitenden Waldglasmacher ab. 

Dadurch, dass Waldglas stets ein Gut der Reicheren war und nicht in Massen in der Bevölkerung vorkam, ist das Waldglas heute sehr selten geworden. 

Glasscheiben wurden ebenfalls in Waldglashütten hergestellt. Die hier abgebildeten Gläser aus dem Spessart nennt man Butzenscheiben.

Waldglas Ausflugsziele

Hat Euch jetzt das Interesse an Waldglas gepackt? Wenn Ihr mehr über das grüne Glas aus deutschen Wäldern erfahren möchtet, folgen jetzt noch einige Empfehlungen für Euch.

In Niedersachsen empfiehlt sich zum Beispiel das Historische Museum Hellental als Landmuseum zur regionalen Geschichte, Archäologie und Alltagskultur im Solling. Im alten Tal der Glasmacher könnt Ihr mehr über die Herstellung und die Standorte der Hütten in der Umgebung erfahren.

Für Baden-Württemberg oder Bayern empfiehlt sich der Spessart und der Besuch im Glasmuseum Wertheim e.V. Das Museum hat uns unter anderem auch einige Bilder in diesem Artikel zur Verfügung gestellt. Im Museum selbst kann man sogar einen Glasbläser in Aktion erleben! Hier könnt Ihr Glas aus allen Epochen und aus der Produktion von Wertheimer Firmen sehen. Im nahegelegenen Spessart wurden 160 Waldglashütten Standorte belegt und die Region ist noch heute mit der Glasherstellung verbunden.

Wusstest Du schon…?
Nur einen Katzensprung vom Museum in Wertheim entfernt, werden die bekannten Maggi-Flaschen hergestellt! Seit 122 Jahren werden sie in den Spessart-Glaswerken in Lohr, jetzt Gerresheimer Lohr GmbH, produziert.  

Besonderer Dank gilt dem Historischen Museum in Hellental sowie Herrn Joachim Lorenz und Prof. Dr. Zerbe für die Korrektur des Artikels!

Hattet Ihr vor unserem Artikel schon von diesem grünen Glas gehört? Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen.

Quellen:

Zerbe, S. (1999): Die Wald- und Forstgesellschaften des Spessarts mit Vorschlägen zu deren zukünftigen Entwicklung – Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Museums der Stadt Aschaffenburg – NF_19:3 – 354.

https://historisches-museum-hellental.de/glasforschung-im-umfeld-des-hellentals.html

https://www.waldglas.com

https://www.studysmarter.de/schule/geographie/landschaftsformen/mittelgebirge

https://www.zdf.de/swr/planet-schule/page-video-ard-die-bergleute-und-glasblaeser–der-schwarzwald-100.html

http://www.spessartit.de/glas.htm

https://www.antike-tischkultur.de/glasfreiblastechnikausgezogenerfuss.html