Der Braunbär ist seit über 170 Jahren in Deutschland ausgestorben. Man kennt sie eigentlich nur aus dem Fernsehen oder dem Internet. Dort sind sie ein Symbol für Wildnis. Ihr könnt Euch sicherlich alle ein idyllisches Bild eines Braunbären vorstellen, der in einem Fluss in Alaska Lachse fängt, oder? Die Realität sieht oftmals anders aus. Ihr erinnert Euch vielleicht noch an Bruno, den Problembären, der im Jahr 2006 über die Alpen nach Deutschland wanderte – und nach kurzer Zeit abgeschossen wurde. In diesem Artikel erfahrt Ihr seine Geschichte. 

Braunbär ist nicht gleich Braunbär

Braunbären sind weit verbreitet. Es gibt sie in Nordamerika, Europa, Russland, China und der Mongolei. Ihr Lebensraum erstreckt sich von dichten Urwäldern bis hin zu Wüstengebieten in der Mongolei. Braunbär ist aber nicht gleich Braunbär. Insgesamt gibt es 14 Unterarten. Bei uns lebt der Europäische Braunbär. In Nordamerika lebt im Inland hauptsächlich der Grizzly. Er hat große Ähnlichkeit mit seinen europäischen Verwandten. Die Koadiakbären bilden eine weitere Unterart der Braunbären und leben an der Küste. Sie werden deutlich größer als die Grizzlys, weil auf ihrem Speiseplan hauptsächlich Fisch steht, während Grizzlys halbe Vegetarier sind. Die Kodiakbären finden reichlich Lachs zum Verspeisen und werden so groß wie das größte Landraubtier, der Eisbär.

Wusstest Du schon…?
Der durchschnittliche männliche europäische Braunbär wiegt 150 bis 190 Kilogramm, Weibchen deutlich weniger. Die größten Exemplare der nordamerikanischen Kodiakbären können über 800 Kilogramm auf die Waage bringen.

Bis zum Mittelalter waren Braunbären überall in Europa verbreitet. Durch menschliche Jagd und die Zerstörung der Lebensräume wurden sie jedoch vielerorts ausgerottet. Weltweit leben etwa 200.000 Braunbären, die Hälfte davon in Russland. Die größten europäischen Vorkommen sind in Skandinavien (etwa 2.000), auf dem Balkan (etwa 3.000) und in den Karpaten in Rumänien (etwa 5.000). In Deutschland wurde der letzte Braunbär 1835 abgeschossen, seitdem gilt er hierzulande als ausgestorben. Hin und wieder wechseln in der Alpenregion Bären über die Grenze nach Bayern, doch sie ziehen meist sehr schnell weiter.

Der größte und aggressivste Bär ist der Boss

Braunbären sind Einzelgänger. Sie sind in abgelegenen Gebieten oft tagaktiv, in der Nähe des Menschen bevorzugen sie den Schutz der Dunkelheit. Sie haben keine festen Reviere, die sie verteidigen, sondern lockere Streifgebiete. Diese Streifgebiete überschneiden sich oft mit denen anderer Bären. Ihre Größe richtet sich nach der Nahrungsverfügbarkeit. Zur Nahrung der Bären zählt fast alles und richtet sich nach der Jahreszeit. Sie fressen zum Beispiel Beeren, Wurzeln, Fische, Insekten und größere Säugetiere wie Reh und Hirsch. Wenn es Nahrung im Überfluss gibt, können sich viele Bären ohne Probleme am selben Ort aufhalten. Zum Beispiel an einem Fluss während der Lachswanderung. 

Bei der Lachswanderung ist Nahrung im Überfluss vorhanden. Hier können viele Braunbären ohne Probleme auf engem Raum zusammenleben.

Um Konflikte zu vermeiden, haben Braunbären eine klare Hierarchie: Der größte und aggressivste Bär ist der Boss. Um herauszufinden, wer der Größte ist, nutzen sie eine “Sprache der Aggression und Unterwerfung”. Das heißt, es gibt nur sehr selten richtige Kämpfe. Meistens imponieren sie den anderen durch eine Show. Der “Cowboy-Walk” ist ein gutes Beispiel dafür: Der Bär stampft breitbeinig durch die Gegend, wie ein Cowboy, der zu lange auf einem Pferd gesessen hat. Dadurch wirkt er besonders groß und schwer. Wenn sich zwei ebenbürtige Braunbären begegnen, führen sie zuerst Scheinangriffe durch. Sie versuchen alles, um möglichst eine richtige Auseinandersetzung zu vermeiden. Denn diese endet meistens für beide Seiten mit schweren Verletzungen. Zu ernsten Kämpfen kommt es in der Regel nur während der Paarungszeit.

Bärinnen verpaaren sich mit möglichst vielen Männchen

Die Paarungszeit der Braunbären findet zwischen Mai und Juli statt. Nach der Paarung bleiben Männchen noch einige Zeit bei der Bärin, um zu verhindern, dass sie sich mit anderen Männchen verpaart. Die Bärinnen versuchen allerdings genau das Gegenteil. Sie wollen sich mit möglichst vielen Männchen verpaaren, zum Schutz ihrer Jungen. Denn männliche Bären versuchen oftmals fremden Nachwuchs zu töten. Ihren eigenen lassen sie in Ruhe. Nach einer mehrmonatigen Keimruhe beginnt die Trächtigkeit der Bärinnen erst mit Beginn der Winterruhe.

Zwischen Januar und Februar kommen dann in der Regel 2 bis 3 Jungtiere zur Welt. Als Neugeborenes wiegen sie gerade mal 500 Gramm. Beim Verlassen der Höhle im Mai bringen sie schon 7 Kilogramm auf die Waage. Der Bärennachwuchs bleibt teilweise mehrere Jahre bei ihrer Mutter. Die Kleinen lernen viel von ihr. Wie man Fische fängt oder wo die besten Stellen zum Beeren fressen sind. Leider aber auch die negativen Sachen, wie zum Beispiel das Plündern von Mülltonnen oder das Reißen von Schafen. Nach spätestens drei Jahren vertreibt die Mutter ihren Nachwuchs. Das kann teilweise recht brutal aussehen, bis die Jungen verstehen, dass sie nicht mehr erwünscht sind. Die Bären-Teenager streifen noch einige Zeit als Gruppe durch die Gegend, bis sie irgendwann alle getrennte Wege gehen.

Junge Braunbären bleiben mehrere Jahre bei ihrer Mutter. Danach ziehen sich weitere Jahre als Teenie-Gruppen durch die Gegend.

Die Geschichte von Bruno, dem “Problembär”

Einige von Euch erinnern sich bestimmt noch an Bruno, den “Problembär”. Ein Jäger stieß im Jahr 2006 in Bayern, in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen, auf drei gerissene Schafe. Schon am nächsten Tag war klar, dass der Verursacher ein Bär gewesen war, den man “Bruno” getauft hat. Wenige Tage später wurde Bruno bereits zum Abschuss freigegeben. Wie konnte es dazu kommen?

Brunos Geschichte beginnt bereits mehrere Jahre vor seiner Geburt. In den meisten europäischen Ländern sind Braunbären seit vielen Jahrzehnten ausgestorben. Doch in Slowenien konnte sich ein gesunder Bestand halten. Im Jahr 1999 wurden deshalb einige Braunbären eingefangen, um sie in Norditalien wieder auszuwildern. Unter ihnen war die Bärin “Jurka”. Schon kurz nach ihrer Auswilderung suchte Jurka immer wieder die Nähe des Menschen. Sie lief durch Dörfer und verursachte erste Schäden. Vermutlich hatte sie bereits positive Erfahrungen mit Menschen und Futter in ihrer alten Heimat Slowenien gemacht. Ihr Streifgebiet befand sich mitten in einer Tourismusregion. An einem großen See mit angrenzendem Hotel wollte der Hotelbetreiber seinen Gästinnen und Gästen ein ganz besonderes Erlebnis bieten und fing damit an, Jurka mit Futter anzulocken. Spätestens dadurch wurde Jurka endgültig zu einer Problembärin, die immer wieder die Nähe des Menschen suchen würde.

Baby-Bär lernt von Mama-Bär

Drei Jahre später, im Jahr 2004, bekam Jurka ihre ersten Jungen mit der Kennung JJ1 und JJ2. Jurka zeigte ihnen, wie man in der Wildnis überlebt. Aber leider auch, wie man Hühnerställe plündert und Bienenhäuschen zerstört. Sie zeigte allerdings nie ein aggressives Verhalten gegenüber Menschen. Ihr Erstgeborenes (JJ1) trennte sich schon nach einem Jahr von seiner Familie und überquerte die Alpen bis nach Bayern. Hier bekam JJ1 den Namen “Bruno”. Er wanderte wochenlang in der Grenzregion zwischen Deutschland und Österreich umher, riss mehrere Schafe und näherte sich menschlichen Siedlungen. Schnell stufte die Regierung ihn als Problembären ein und gab ihn, nach mehreren gescheiterten Versuchen, ihn lebend einzufangen, zum Abschuss frei. Heute steht Bruno ausgestopft im Münchner Museum Mensch und Natur.

Bruno im Museum Mensch und Natur.

Jurka bekam 2006 erneut Nachwuchs, diesmal waren es 2 Männchen (JJ3 und JJ5), sowie ein Weibchen (JJ4). JJ3 wurde 2008 als Problembär abgeschossen und JJ5 mit einem Peilsender ausgestattet, um ihn besser aus den Dörfern fernhalten zu können. Jurka blieb immer eine Problembärin, einmal hat sie sogar eine Haustür eingedrückt. Sie wurde 2010 eingefangen und lebt seitdem im Alternativen Wolf- und Bärenpark im Schwarzwald. 

Was können wir daraus lernen? Wilde Tiere zu füttern ist meistens nicht besonders klug. Vor allem große Raubtiere, wie Wolf und Bär, gewöhnen sich dadurch an die Nähe von uns Menschen und können zu einer Gefahr werden.

Braunbären sind auch im Winter bärenstark

Im Winter wird für Braunbären die Nahrung knapp. Deshalb halten sie Winterruhe. Das ist sozusagen ein “Winterschlaf-light”. Denn sie wachen dabei mehrmals auf und fressen manchmal sogar etwas. Ihre Körpertemperatur sinkt lediglich um wenige Grad. Dank ihres sehr günstigen Verhältnisses von Körpergröße zu Körpermasse verlieren sie nur wenig Wärme. Bei Gefahr können sie also leicht aufwachen und ihre Körpertemperatur auf das normale Niveau erhöhen. Deshalb solltet Ihr Euch von Felshöhlen im Wald während der Wintermonate lieber fernhalten, wenn Ihr im Bärengebiet unterwegs seid. Mit einem müden Braunbären, der noch keinen Morgen-Kaffee hatte, wollt Ihr Euch nicht anlegen.

Die Dauer der Winterruhe ist je nach Region sehr unterschiedlich, je nachdem wie viel Nahrung verfügbar ist. In der Regel dauert sie von November bis April/Mai. Der Beginn der Winterruhe ist ein schleichender Prozess. Haben die Bären eine geeignete Höhle gefunden, verbringen sie dort nach und nach immer mehr Zeit. Irgendwann verlassen sie ihre Höhle dann gar nicht mehr. Am liebsten suchen sie sich eine Felshöhle. Ist keine vorhanden, graben sie sich alternativ selber eine Höhle in die Erde. Große Männchen machen es sich manchmal auch ganz leicht und legen sich einfach auf ein Nest aus Ästen, wo sie sich dann einschneien lassen.

Jan und Lea waren letzten Sommer in Rumänien unterwegs und haben tatsächlich einen Braunbär am Straßenrand entdeckt.

Die Winterruhe der Braunbären ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Da sie während des Winters so gut wie keine Nahrung aufnehmen, verlieren sie bis zu 40 % ihres Körpergewichts. Ihr angefressenes Fett liefert ihnen 4000 Kalorien pro Tag. Interessanterweise verlieren Bären keine Muskelmasse, obwohl sie sich nicht bewegen. Das ist möglich, da sie keinen Urin abgeben. Der Harnstoff im Urin wird nämlich im Körper recycelt und zu Aminosäuren umgewandelt. Die Sportlerinnen und Sportler unter Euch wissen sicherlich, dass Aminosäuren die Bausteine für Proteine sind und diese wiederum werden für das Muskelwachstum benötigt. Außerdem haben Braunbären bis zu 4x täglich während der Winterruhe sogenanntes Muskelzittern, was dem Muskelschwund entgegenwirkt. Dadurch bleiben Braunbären immer bärenstark!

A fed bear is a dead bear

Bären sind von Natur aus sehr neugierig. Wegen ihrer Körpergröße brauchen sie viel Nahrung und müssen alles ausprobieren, was gut riecht. Ihre feine Nase lockt sie dabei oftmals in die Nähe von Städten und Dörfern. Hier gibt es viel Abfall, der für Bären sehr nahrhaft sein kann. Hat der Bär einmal den Menschen mit Nahrung verknüpft, ist es meistens zu spät. Das Verhalten, menschliche Nähe zu suchen, lässt sich in der Regel nicht mehr abtrainieren. Daher hat sich in Nordamerika der traurige, aber sehr zutreffende Spruch “A fed bear is a dead bear” etabliert. Auf deutsch: Ein gefütterter Bär ist ein toter Bär. Denn diese Bären werden zu Problembären und müssen aus Sicherheitsgründen meistens getötet werden. 

Im Bärengebiet findet man überall Warnhinweise.

Zu den größten Bedrohungen für Braunbären zählen Lebensraumverlust, fehlende Akzeptanz der Bevölkerung und Wilderei. In bestimmten Regionen Deutschlands müssen wir damit rechnen, dass Braunbären sich langfristig wieder etablieren werden. Dazu zählt vor allem die Alpenregion. Hier sollten Bewohner:innen frühzeitig dafür sorgen, dass ihre Abfallcontainer bärensicher gemacht werden. Außerdem muss ein geeigneter Herdenschutz etabliert und Bienenhäuser mit Elektrozäunen gesichert werden. Dann steht einer Wiederansiedlung des größten Landraubtiers der Erde nichts im Wege.