In diesem Artikel verschlägt es uns in die Mitte Deutschlands. In Nordhessen, 40 Kilometer südwestlich der Stadt Kassel, liegt der Nationalpark Kellerwald-Edersee. Hier gibt es allerhand zu entdecken. Neben verschiedensten Wanderwegen durch ein UNESCO- Weltnaturerbe, liegt unter der Oberfläche des Edersees die versunkene Stadt Atlantis. Klingt nach einem guten Fantasyfilm, oder? Was es damit auf sich hat, erfahrt Ihr, wenn Ihr weiter lest.

In einem Nationalpark findet keine Bewirtschaftung statt. Daher gibt es mehr Totholz, das dir auf den Kopf fallen könnte.

Das ist der Nationalpark Kellerwald-Edersee

Der Kellerwald ist ein Mittelgebirge in der Mitte Deutschlands. Hier befinden sich verschiedene Naturschutzgebiete. Darunter auch der Naturpark Kellerwald-Edersee (Achtung: Genau lesen!). Und innerhalb dieses Naturparks befindet sich der gleichnamige Nationalpark mit einer Größe von knapp 77 Quadratkilometern Fläche. Der Nationalpark erstreckt sich über die Wälder und Berge rund um den Edersee. Dieser gehört aber nicht zur Fläche des Nationalparks.

Wusstest Du schon…?
Nationalparks genießen den höchsten Schutzstatus in Deutschland. Eine Übersicht über die verschiedenen Schutzgebiete könnt Ihr in unserem Artikel nachlesen.

Wie in jedem Nationalpark lautet hier das Motto: “Natur Natur sein lassen.” Das Ziel besteht darin, die Natur zu schützen und natürliche Prozesse ohne menschliche Eingriffe ablaufen zu lassen. Deshalb teilte man den Nationalpark in drei Zonen auf. Rund 85 Prozent besteht aus der Naturzone. Diese steht unter Prozessschutz, wo keine menschlichen Eingriffe stattfinden. Die Entwicklungszone hat einen Anteil von etwa 10 Prozent. Hier sollen naturferne Wälder, zum Beispiel Reinbestände aus Fichten, schrittweise in naturnahe Wälder überführt werden.

Ein ganz kleiner Anteil der Nationalparkfläche mit rund 5 Prozent wird aktiv bewirtschaftet. In dieser Managementzone befinden sich seltene, besonders schützenswerte Biotope, die ohne ein Management verschwinden würden. Dazu zählen beispielsweise Wiesen mit seltenen Pflanzen, die man mit Schafen beweidet.

Obwohl der Mensch im Nationalpark nicht eingreifen sollte, spielt hier die Jagd dennoch eine Rolle. Lediglich 40 Prozent des Nationalparks sind tatsächlich jagdfrei, was zu Konflikten mit Naturschutzverbänden führt. Die die beiden wesentlichen Gründe, die für eine Bejagung im Nationalpark sprechen, sind

  1. Man möchte künstlich eingeführte Wildarten, wie Muffelwild und Damwild, reduzieren, damit es zu keiner Konkurrenz mit den heimischen Arten kommt.
  2. Am Rande des Nationalparks findet ganz normal Land- und Forstwirtschaft statt. Durch eine hohe Wilddichte innerhalb des Parks können weit wandernde Wildtiere wie Rotwild vermehrt Wildschäden herbeiführen.
Der Schutz der Natur ist das oberste Gebot in einem Nationalpark.

Flora & Fauna im Nationalpark Kellerwald-Edersee

Die charakteristische Waldgesellschaft des Kellerwaldes bildet der sogenannte Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-fagetum). Die Hainsimse hat nichts mit SMS zu tun, sondern ist eine Grasart, die typischerweise an diesem Ort vorkommt. Sie gibt diesem Lebensraum zusammen mit der Buche ihren Namen. Mehr zu diesem Thema könnt Ihr hier nachlesen. Försterinnen und Förster wissen bei diesem Namen direkt, dass es sich um einen Standort mit sauren Böden handelt. Rotbuchen prägen das Waldbild, wobei auch andere Baumarten, wie zum Beispiel die Eiche, eine Rolle spielen. Die vielen Berge und Gewässer des Kellerwaldes sorgen dafür, dass sich zudem viele unterschiedliche Waldbilder entwickelt haben. Dazu zählen beispielsweise Eichen-Trockenwälder, Edellaubholz-Blockwälder und seltene Pfingstnelken-Felsfluren. Diese Vielfältigkeit macht die Gegend so einzigartig und wertvoll.

Auf Traddelkopf und Arensberg

Der höchste Berg des Nationalparks ist der Traddelkopf mit 626 Meter Höhe. Hier befinden sich die ältesten Buchenwälder des Nationalparks. Auf dem nahe gelegenen Arensberg finden sich sogar noch etwa 10 Hektar echter Urwald. Der Nordhang ist extrem steil und konnte wegen seiner schwierigen Lage in den vergangenen Jahrhunderten nie bewirtschaftet werden. Auch für Besucherinnen und Besucher ist diese Ecke des Nationalparks nahezu unerreichbar.

Die Liste der Wildtiere des Nationalparks Kellerwald-Edersee ist lang. Zu den größten heimischen Säugetieren, die durch den Nationalpark streifen, zählen Rehwild, Rotwild und Schwarzwild. Während der NS-Zeit hat man zusätzlich Damwild und Muffelwild zu jagdlichen Zwecken ausgesetzt. Auch sie kann man heute noch im Nationalpark antreffen. Luchs und Wolf haben den Kellerwald noch nicht erreicht. Ohne große Beutegreifer, die an der Spitze der Nahrungskette stehen, ist ein richtiger Prozessschutz im Nationalpark nur schwer umzusetzen.

Wusstest Du schon…?
Waldgesellschaften dienen in der Wissenschaft zur Einteilung und Charakterisierung verschiedener Waldtypen mit ihren jeweils typischen Artenzusammensetzungen. Der Name einer Waldgesellschaft bildet sich immer aus einer krautigen Pflanze und einer Baumart.

Die Geschichte des Nationalparks Kellerwald-Edersee

Es war einmal vor langer, langer Zeit in einer weit entfernten…. Nein Quatsch. Die Geschichte des Kellerwaldes beginnt am Ende der letzten Eiszeit. Etwa 12.000 v. Chr. wurde das Klima warm genug, damit erste kleine Wacholder und Weidenbüsche die einstige Tundra besiedeln konnten. Im Laufe der nächsten Jahrtausende entwickelten sich lichte Wälder mit Kiefern, Birken und Eichen. Erst ab etwa 7.000 v. Chr. wanderte die Rotbuche in Europa ein und verdrängte die anderen Arten. Bis heute würden die meisten Wälder in Deutschland von der Rotbuche dominiert werden, wenn wir es zuließen.

Menschen haben zu dieser Zeit noch nicht im Kellerwald gelebt. Bis zum Mittelalter war die Gegend des Kellerwaldes nahezu menschenleer. Eine dichtere Besiedlung begann erst etwa 700 n. Chr. Zu dieser Zeit wurde die Quernstkirche auf dem Berg Talgang errichtet. Bis zur Reformation im 16. Jahrhundert war sie die einzige Kirche der Umgebung und damit etwas ganz besonderes. Heute findet man leider nur noch letzte Überreste. Um diesem besonderen Ort zu gedenken, entschied sich die Stadt Frankenau im Jahr 2006 eine Kapelle an der gleichen Stelle der ehemaligen Kirche zu bauen.

Wusstest Du schon…?
Im 18. Jahrhundert fand ein siebenjähriger Krieg statt. Auf dem Berg Himmelreich fand ein Gefecht zwischen hessischen und französischen Truppen statt. Dabei wurde der Soldat Johann Justus Dehnert getötet. Auf dem selben Berg befindet sich sein Grab, das seine Nachfahren bis heute pflegen und von Besucher:innen besichtigen.

Der Mensch will alles gleichzeitig vom Kellerwald

Ab dem späten Mittelalter wurde der Wald des Kellerwaldes stark in Mitleidenschaft gezogen. Er diente gleichzeitig als Nahrungsquelle für Hausschweine, als Lieferant für Brenn- und Bauholz und die Eichenrinde wurde für die Gerberei verwendet. Diese übermäßige Nutzung führte zu großen Waldschäden. Ab 1800 begannen die Forstbehörden dann künstlich aufzuforsten, indem man neue Bäume pflanzte. Interessanterweise verzichtete man dabei größtenteils auf Nadelholz und griff stattdessen auf die natürlich vorkommende Rotbuche zurück.

Den Wildtierbestand hielten die Fürsten durch Fütterungen künstlich hoch. So konnten sie immer reichlich Beute bei der Jagd machen. Die Bauern hingegen erlitten durch den hohen Wildbestand große Schäden. Das führte unweigerlich zu Konflikten. Im 19. Jahrhundert waren Wilderei und Waldfrevel ein großes Problem. Daher entschieden sich die Behörden im Jahr 1894, ein Gebiet mit einer Fläche von 48 Quadratkilometern einzuzäunen.

Seit 1989 hat man nach und nach immer mehr Gebiete des Kellerwaldes als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Den Nationalpark eröffnete man im Jahr 2004.

Im Nationalpark Kellerwald gibt es viele sehr alte Bäume!

Ausflugsziele und Tourismus

Den Kellerwald kann man auf verschiedenste Arten entdecken. Ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auf einem Pferd. Für die Wanderbegeisterten gibt es insgesamt 19 gut ausgeschilderte Rundwanderwege durch den Nationalpark. Die Routen könnt Ihr auch auf dem Smartphone abspeichern. Hier findet Ihr mehr dazu.

Das Nationalparkzentrum befindet sich in Vöhl-Herzhausen am Edersee. Hier gibt es eine Ausstellung, Gastronomie zur Stärkung und Ihr erhaltet alle wichtigen Informationen für die geplante Tour. Weitere Informationen zur Anreise und andere Freizeitmöglichkeiten findet Ihr auf deren Homepage. Ein Manko schon mal vorab: Hunde sind dort leider nicht erlaubt.

Der Edersee gehört zwar nicht zum Nationalpark. Trotzdem ist er sozusagen das Zentrum, denn er ist vom Nationalpark umringt. Auch hier gibt es zahlreiche Freizeitaktivitäten. Ihr findet Campingplätze, Bootshäfen, Angelmöglichkeiten und sogar eine Tauchschule. Die Liste der Möglichkeiten ist noch deutlich länger, aber am besten informiert Ihr Euch einfach hier vorbei. Und jetzt kann es auch schon losgehen. Erzählt uns gerne von Euren Erlebnissen, egal ob hier in den Kommentaren oder über Instagram.

Am Grund des Edersees befinden sich verlassene Dörfer. Bei niedrigem Wasserspiegel könnt ihr die Überreste erkennen.

Moment mal, eine Sache fehlt noch

Haben wir nicht noch etwas vergessen? Was war denn jetzt eigentlich mit Atlantis? Über diese kleine Besonderheit des Edersees wollen wir noch kurz berichten. Der Edersee ist eine Talsperre. Diese wurde im Jahr 1914 gebaut. Der Grund für den Bau bestand darin, die Wasserversorgung von der Weser und dem Mittellandkanal auch in den trockenen Sommermonaten sicherzustellen. Allerdings mussten für den Bau drei Dörfer “umziehen”. Die Bewohner:innen verließen ihre Häuser und errichteten ihr Dorf an einer anderen Stelle neu. Und bis heute kann man bei flachem Wasserstand des Edersees die Überreste dieser alten verlassenen Dörfer sehen und sogar durch sie hindurch wandern.