Man hört es ja immer wieder: Die Landwirtschaft hat es nicht leicht. Durch den Klimawandel werden Dürreperioden und Hochwasserereignisse immer wahrscheinlicher. Das führt unter anderem zu Ernteausfällen. Gleichzeitig gibt es Probleme mit Bodenerosion und über den Verlust der Artenvielfalt haben wir schon oft genug geschrieben. Könnte es auf all diese Probleme eine gemeinsame Antwort geben? In diesem Artikel präsentieren wir Euch eine Idee, die viele dieser Probleme lösen oder zumindest vereinfachen kann! Es geht um die Idee des Agroforst.

Das wissen wir bereits über Agroforst

Vielleicht wusstet Ihr es noch gar nicht, aber bereits vor über zwei Jahren haben wir schon einmal über das Thema Agroforst berichtet. Wenn Ihr Euch nicht mehr richtig erinnern könnt, folgt jetzt eine kurze Zusammenfassung.

Agroforst ist eine Kombination aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft, bei der sich beide Systeme positiv beeinflussen sollen. Kurz gesagt: Man pflanzt Bäume auf eine Ackerfläche. Das bewirkt einige positive Effekte, zum Beispiel verbessert sich die Bodenfruchtbarkeit und Wasserversorgung. Außerdem wird die monotone Ackerwüste zu einem strukturreicheren Lebensraum für viele Tiere. Also ist so ein Agroforst-System nicht nur gut für uns Menschen, sondern auch für die Artenvielfalt etwas getan.

Wenn Ihr mehr über die Grundlagen von Agroforst nachlesen wollt, könnt Ihr das in unserem ersten Artikel erledigen. Jetzt wollen wir ein wenig tiefer in die Materie eintauchen und uns mit verschiedenen Agroforst-Systemen auseinandersetzen.

Die höhere Strukturvielfalt kommt vielen Insekten zugute.

Das passende Agroforst-System finden

Wir haben bereits unzählige Beiträge über die unterschiedlichen Arten der Waldbewirtschaftung mit Euch geteilt. Deshalb wisst Ihr sicherlich alle, dass kein Wald dem anderen gleicht. Genau so ist es auch im Agroforst. Man kann diese Art der Bewirtschaftung in verschiedenen Systemen aufbauen. Generell sollen Agroforst-Systeme mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie. Das heißt, Landwirtinnen und Landwirte fokussieren sich nicht auf eine einzelne Pflanze, zum Beispiel Weizen oder Mais, sondern kombinieren eine Vielfalt von unterschiedlichen Nutz- und Beipflanzen. Dadurch entsteht ein Lebensraum, der sehr viel artenreicher und auch naturnäher ist als eine Agrarwüste.

Wusstest Du schon…?
Das sind die 3 Prinzipien der Pflanzenvielfalt im Agroforst:

Artenvielfalt: Viele verschiedene Pflanzenarten und -gattungen kommen zum Einsatz.
Elementvielfalt: Pflanzen, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen und erntereif sind, verschiedene Wuchshöhen erreichen und andere Wurzeln ausbilden.
Sukzessionsvielfalt: Kombination aus kurzlebigen Pflanzen (z.B. Kartoffeln, Erbsen, Petersilie), mittellanglebigen Pflanzen (z.B. Holunder, Himbeere, Apfelbaum) und langlebigen Pflanzen (z.B. Buche, Eiche).

1, 2 oder 3

Ein Agroforst-System besteht aus einer Kombination von mindestens zwei Nutzungsformen, zum Beispiel ein Weizenfeld mit mehreren Streifen von schnellwüchsigen Pappeln. Das ist eine Kombination aus Bäumen und Ackerkulturen und wird “silvoarables System” genannt. (Unnützes Wissen für zwischendurch: von silva=Wald. Andere Kombinationsmöglichkeiten bestehen aus Bäumen und Tierhaltung wie Rinder und Hühner (silvopastorale Systeme) oder eine Dreier-Kombi mit Bäumen, Ackerkulturen und Tierhaltung (agrosilvopastorale Systeme). Und aus diesen Nutzungsformen kann man sich wie in einem Baukasten-Prinzip eine ganz individuelle Kombination heraussuchen. Für welches System sich Landwirt:innen entscheiden, hängt hauptsächlich von den standörtlichen Bedingungen und eigenen Zielen ab. Außerdem sollte sich das Agroforst-System möglichst einfach in die bereits bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen einfügen können.

Eine klassische Kombination im Agroforstbetrieb: Waldbäume mit Weidetierhaltung.

Diese Fragen muss man zuerst klären

Bevor man einen Agroforst anlegen kann, muss man viele Fragen klären. Hier stellen wir Euch ein paar der wichtigsten Entscheidungsfaktoren zusammen.

  1. Wie sind die Standortbedingungen? 
    Bodenart, Nährstoffverfügbarkeit, Grundwassereinfluss, Niederschlag, …
  1. Was ist das Produktionsziel? 
    Energieholz, Wertholz, Weizen, Gemüse, Obst, Pilze, …
  1. Welche Umweltleistungen sollen erbracht werden? 
    z.B. Erhöhung der Artenvielfalt, Verbesserung des Landschaftsbildes, Schutz vor Wind, Klimaschutz, …
  1. Welche Technik ist vorhanden? 
    ist z.B. ein Mähdrescher mit einer bestimmten Breite vorhanden, sollten die Abstände zwischen den Baumreihen dementsprechend angepasst sein
  1. Welche Probleme gab es bisher? 
    Gab es in den Vorjahren Probleme mit z.B. Trockenheit, sollte man auf Bäume setzen, die besonders gut für die Wasserversorgung sind und viel Schatten spenden

Alley-Cropping als häufigste Form im Agroforst

“Alley-Cropping” bezeichnet eine Kombination aus zueinander parallel angelegten Gehölzreihen zwischen konventionellen Feld- oder Ackerstreifen. Die Abstände der Baumreihen sind meistens so gering, dass ein Kronenschluss nahezu möglich ist. Die Ausrichtung dieser Streifen sollte gut überlegt sein. Die größte Sonnenenergie kommt aus dem Süden. Legt man die Baumstreifen zum Beispiel also in Ost-West-Richtung an, werfen sie den größten Schatten auf unsere Ackerpflanzen, wenn die Sonne am stärksten ist. Die Produkte bei dieser Agroforst-Variante sind Wertholz und, je nach Baumartenwahl, Nüsse oder Früchte. Auf dem Acker kann man ganz klassisch das Getreide ernten. Für diese Art der Bewirtschaftung eignen sich Baumarten wie Kirsche, Walnuss, Eiche oder Kastanie. Sie lassen sich gut mit Weizen, Mais oder Kartoffeln auf dem Acker kombinieren.

Hier wird mit einer Kombination aus schnellwüchsigen Pappeln und Raps gearbeitet.

Eine abgewandelte Form ist das Kurzumtrieb-Alley-Cropping. Hier wird auf schnellwachsende Baumarten wie Pappel, Weide und Robinie gesetzt. Man kann sie schon nach 3 – 6 Jahren Wachstumszeit ernten und beispielsweise zu Hackschnitzeln verarbeiten. Bei dieser Bewirtschaftungsform sollte man eher auf Ackerfrüchte setzen, die viel Licht benötigen. Denn Bäume, die man alle paar Jahre erntet, spenden viel weniger Schatten als eine mehrere Jahrzehnte alte Eiche. Das Schöne an der Landwirtschaft ist, dass man jedes Jahr neue Ackerfrüchte wählen kann. Solange die Bäume noch klein sind, sind lichtliebende Ackerpflanzen sinnvoller. Je höher die Bäume wachsen und je mehr Schatten sie spenden, desto schattenfreundlicher kann das Getreide sein.

Wusstest Du schon…?
Studien haben ergeben, dass der Ertrag der landwirtschaftlichen Getreidefläche nicht sinkt, obwohl weniger Fläche zur Verfügung steht. Durch positive Effekte der Gehölze kann der Ertrag ausgeglichen oder sogar erhöht werden.

Welche Produkte stellt man im Agroforst her?

Gehölze

Die Bäume im Agroforst kann man auf sehr unterschiedliche Weise nutzen. Ihr Holz wird gerne zu Hackschnitzeln verarbeitet und als Brennmaterial oder zur Abdeckung von Beeten verwendet. Das Coole an Pappeln und Weiden ist, dass diese Bäume nach der Ernte erneut austreiben und 3 Jahre später wieder erntereif sind. Das heißt, man pflanzt sie nur einmal, kann aber mehrfach ernten. Natürlich kann man 6 Meter lange Stämme auch schon als Bauholz vermarkten. Vor allem die Robinie mit ihrem sehr harten und witterungsbeständigen Holz eignet sich dafür.

Auch eine Streuobstwiese fällt in den Bereich Agroforst. Die Apfel- und Birnenbäume pflanzt man nur nachrangig wegen ihres Holzes. Obwohl auch das Holz von Wildobst sehr ästhetisch sein kann und in speziellen Fällen stark nachgefragt ist. Hauptsächlich geht es bei der Streuobstwiese aber natürlich um die Früchte der Bäume. Von ihnen kriegen wir leckere Säfte, Marmeladen, Obstbrände und vieles mehr.

Geimpfte Bäume

Ein relativ neuer Trend ist das Pflanzen von ganz besonderen Bäumen. Damit meinen wir nicht eine spezielle Baumart. Hierbei geht es um “geimpfte” Bäume. Und zwar nicht geimpft gegen bestimmte Krankheiten, sondern geimpft mit Pilzen. Über das Thema Mykorrhiza haben wir bereits berichtet. Das sind Pilze, die mit Bäumen und anderen Pflanzen eine Symbiose eingehen. Im Agroforst kann man beispielsweise Bäume mit Trüffeln “impfen”. Das hat den Vorteil, dass man schon nach wenigen Jahren Trüffeln ernten kann und früh nach der Pflanzung einen Umsatz mit den Bäumen erzielt, anstatt viele Jahrzehnte warten zu müssen.

Hühner haben im Agroforst einen großzügigen Auslauf und dienen gleichzeitig als Schädlingsbekämpfer gegen Parasiten.

Tiere

Auch Landwirtschaftsbetriebe, die ihre Brötchen mit der Haltung von Tieren verdienen, können auf Agroforst umstellen. Grünlandweideflächen eignen sich genauso gut für die Pflanzung von Baumreihen wie eine Ackerfläche. Schweine und Rinder profitieren ganz besonders davon, denn sie finden auch an heißen Sommertagen schattige Plätze. Auch Hühner und Gänse kann man hier halten. Nachts kommen die Hühner zum Schlafen in mobile Hühnerställe und legen dort ihre Eier, tagsüber streifen sie durch die Baumreihen und finden hier Schutz vor natürlichen Feinden wie dem Habicht. Ein ganz wesentlicher Vorteil bei Hühnern ist zusätzlich, dass sie als Schädlingsbekämpfer fungieren, indem sie Insekten vom Getreide picken können. In einer Gesellschaft, die sich immer mehr um das Wohl der Tiere und um eine gute Tierhaltung bemüht, ist dies ein guter Schritt in die richtige Richtung. Für die Haltung von Gänsen im Agroforst ist sogar bereits ein erstes Gütesiegel vorhanden. Dadurch erkennen Verbraucherinnen und Verbraucher, woher ihr Produkt stammt und Landwirt:innen können für ihren erhöhten Aufwand entlohnt werden.

Getreide

Im Prinzip sind alle Getreidesorten in einem Agroforst Betrieb denkbar. Es ist sogar möglich, auf jedem Ackerstreifen, der zwischen den Bäumen liegt, eine andere Getreidepflanze anzubauen. Irgendwann wird es dann allerdings zu aufwändig und unrentabel. Trotzdem können Landwirtinnen und Landwirte frei darüber entscheiden. Aus dem Getreide werden dann die klassischen Produkte wie Brot und Backwaren oder Speiseöl hergestellt. Langfaserige Pflanzen finden auch Anwendung in der Textilindustrie.

Agroforst ist auch gut für den Naturschutz

Agroforst kann nicht nur ökonomische Vorteile bieten, sondern ist auch gut für den Naturschutz. Ganz vereinfacht kann man sagen, dass sich durch die Pflanzung von Baumstreifen auf einem Acker die Anzahl der Lebensräume verdreifacht. Durch den Aufbau von Humus und die Produktion von mehr Biomasse wird außerdem Kohlenstoff gespeichert. 

Landwirt:innen legen seit Jahren sogenannte Blühstreifen an. Sie liegen meist am Rande von Feldern mit Saatgutmischungen und sind gut für Insekten und andere Tierarten. Diese Streifen können nicht mehr bewirtschaftet werden, weshalb der Ertragsverlust durch den Staat kompensiert wird. Agroforst könnte ähnliche positive ökologische Effekte erzielen, ohne die Bewirtschaftung der Fläche einstellen zu müssen.

Dieser Rehbock fühlt sich im Getreide pudelwohl.

Sogenannte Gewässerschutzstreifen sind Baum- oder Strauchreihen entlang von Gewässern. Sie verbessern die Wasserqualität, stabilisieren mit ihren Wurzeln die Uferbereiche und bieten wichtige Lebensräume für zahlreiche Land- und Wassertiere. Sie fungieren also als naturnahe Pufferzonen zwischen Ackerfläche und Gewässer. Auch Hecken können sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch wertvoll sein. Einerseits schützen sie ein Getreidefeld vor starkem Wind und reduzieren dadurch Ernteausfälle. Gleichzeitig bieten Hecken für Insekten, Vögel und Hasen einen Lebensraum.

Die vielen Vorteile von Agroforst

Einige Vorteile haben wir schon besprochen und der Artikel soll ja auch nicht viel zu lang werden. Deshalb kommen hier jetzt stichpunktartig noch ein paar weitere gute Aspekte von Agroforst. Solltet Ihr Fragen dazu haben, könnt Ihr sie gerne in den Kommentaren stellen.

Stichpunkte zum Anklicken
  • Durch eine größere Produktpalette streut man das wirtschaftliche Risiko breiter
  • Vor allem auf nährstoffärmeren Standorten verbessert sich das Einkommen
  • Durch besseres Mikroklima (Wind, Schatten, …) erhöhen sich die Erträge
  • Aufwertung des Landschaftsbildes
  • gute Verteilung der Arbeit im Jahr (Getreide im Sommer, Holzernte im Winter)
  • bessere Grundwasserqualität
  • weniger Bodenerosion und bessere Bodenfruchtbarkeit
  • Erhöhung der Struktur- und Artenvielfalt

Wenn Agroforst wirklich so toll sein sollte wie bisher beschrieben, wieso gibt es das dann so selten? Natürlich hat Agroforst nicht nur Vorteile. Nicht für jeden Betrieb ist eine Umwandlung in ein Agroforst-System sinnvoll. Wenn es für den Betrieb gut läuft, ist es oft unrentabel, etwas zu ändern. In erster Linie geht es also um Betriebe mit Problemen, zum Beispiel durch Dürre oder Erosion. Allerdings ist so ein Umstieg nicht ganz einfach. Zu Beginn steigen die Kosten stark an und gleichzeitig wird der Ertrag geringer. Das muss man sich erstmal leisten können. Außerdem ist der Aufwand größer, denn unterschiedliche Systeme benötigen viel mehr Pflegeaufwand. Das schreckt natürlich ab.

Dennoch ist Agroforst im Kommen und verbreitet sich immer weiter. Ein positives Beispiel ist Frankreich. Hier ist Agroforst bereits weit verbreitet. Durch finanzielle Anreize könnte das auch bald bei uns der Fall sein. Ein Gütesiegel für Agroforst-Produkte, ähnlich wie für Bio-Produkte, könnte ein guter Schritt sein. Ein Erfolg: Seit 2023 wird die Umstellung auf Agroforst staatlich gefördert.

Und zum Schluss eine schnelle Lernanalyse: Wisst Ihr noch, was genau ein agrosilvopastorales System ist und welche Baumarten beim Kurzumtrieb-Alley-Cropping gerne verwendet werden?