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Wurzeln – Arbeit im Verborgenen 

Der Boden, auf dem wir uns tagtäglich bewegen, beinhaltet – wie Ihr aus anderen Artikeln vielleicht wisst – unglaublich viel Leben. Lebendig und faszinierend sind dabei auch die Wurzeln, die ihre Bahnen durch das dunkle Erdreich ziehen. Obgleich sie einen sehr wichtigen Teil von den meisten pflanzlichen Organismen ausmachen, bleibt einiges über sie noch unbekannt und rätselhaft. Was es damit auf sich hat und welche bekannten Funktionen Wurzeln übernehmen, erfahrt Ihr in diesem Artikel!

Die Wurzeln dieser Bäume wurzeln tief in den Berg hinein. Dadurch halten sie jedoch nicht nur sich selbst an Ort und Stelle, sondern befestigen auch den Hang selbst. So schützen Bäume die Menschen im Tal vor Erosion und Geröll.

Wer bildet wieso Wurzeln?

Alle Pflanzen, die in Wurzel, Sprossachse und Blatt untergliedert werden können, gehören zu den sogenannten Kormophyten. Sie zeichnen sich durch eben diesen Aufbau aus und benötigen Wurzeln zum Überleben.  

Wurzeln können fein- oder grob sein und sowohl in die Länge als auch in die Breite wachsen. Ein gutes Wurzelsystem ist zumeist um ein Vielfaches größer als die oberirdische Pflanze oder der Baum und ist das erste, was eine Pflanze nach der Keimung entwickelt. 

Die Grundfunktionen einer Wurzel liegen neben der Verankerung der Pflanze an ihrem Standort auch in der Aufnahme von Wasser und darin gelösten Nährstoffen. Die aufgenommenen Stoffe können außerdem in ihnen gespeichert werden. Auch die Herstellung von Pflanzenhormonen findet in den Wurzeln statt. 

Das sind keine Pubertätshormone, wenn Euch das jetzt vielleicht zuerst in den Sinn gekommen ist. Hormone steuern bei Pflanzen zum Beispiel, ob sie die Verdunstungsorgane auf ihren Blättern schließen oder offen lassen. Wenn es zu warm ist, merkt der Baum durch die Hormone, dass er sein Wasser sparen und die “Schotten” dicht machen sollte.  

Wusstest Du schon…?
Der Bereich des Bodens, der von Wurzeln besiedelt wird, nennt sich Rhizosphäre.

Das Wachstum des Pflanzenorgans hängt, abgesehen von der genetischen Veranlagung, auch mit der Vitalität, dem Standort oder der Konkurrenz im Wurzelraum zusammen. Wird die Baumkrone von Licht abgeschirmt, können wichtige Prozesse in ihm ausfallen. Das kann auch zum Absterben der Wurzeln und somit des gesamten Baumes führen. Wenn Bäume gepflanzt werden, hängt ihre Wurzelentwicklung außerdem davon ab, wie oft sie schon umgepflanzt wurden und ob ihre Wurzeln verkürzt wurden oder zu wenig Platz hatten. Die Trockenheit sowie die Überflutungen der letzten Jahre können ebenfalls zum Absterben der Feinwurzeln führen, weil sie entweder “verdursten” oder “ertrinken”.  

Wurzelsysteme 

Bäume können in drei Wurzelsystemgruppen unterteilt werden. 

Horizontalwurzelsysteme können auch einfacher als Flachwurzler betitelt werden. Ihre Hauptwurzeln wachsen flach bzw. horizontal unter der Erde. Von ihnen gehen senkrecht nach unten gerichtete Wurzeln ab. Sie werden ganz kreativ Senkerwurzeln genannt. Zu dieser Kategorie zählen Fichten, Eschen oder Pappeln. Wieso dieses Wurzelsystem in Deutschland bei der Fichte ein Problem darstellen kann, könnt Ihr hier lesen. 

Pfahlwurzelsysteme bilden – wie der Name schon andeutet – eine Pfahlartige, senkrecht nach unten wachsende Wurzel. Von ihr zweigen andere und weniger starke Wurzeln ab. Diese sehr gute Verwurzelung findet man bei Eichen, Kiefern, Tannen oder Ulmen. 

Den wohl schönsten Namen trägt das Herzwurzelsystem. Es bildet mehrere schräg nach unten wachsende starke Hauptwurzeln, die sich seitlich verzweigen. Buchen, Hainbuchen, Linden oder Nadelbaumarten wie Lärche oder Douglasie bilden dieses herzförmige Wurzelsystem.

Die drei Wurzelsysteme können sich in einem Wald wunderbar ergänzen, um einander noch weiter Stand zu geben.

Pfahl durchs Herz nicht nur bei Vampiren empfehlenswert

In einem klimastabilen Mischwald kommen unterschiedliche Bäume mit unterschiedlichen Wurzelsystemen vor. Das führt nebeneinander zu einer super guten und umfassenden Durchwurzelung des Bodens. So kann auch eine Fichte in einem Mischbestand nicht umgepustet werden, weil sie zum Beispiel von tiefwurzelnden Eichen oder Tannen umgeben ist, die dem Wind trotzen können.

Pflanzenwurzeln unterteilt man darüber hinaus gerne in allorhize oder homorrhize Wurzelsysteme. Ähnlich wie bei den Unterteilungen der Baumwurzeln geht es dabei darum, ob eine Pflanze Hauptwurzeln und Nebenwurzeln unterteilt. Bildet eine Pflanze eine oder mehrere Hauptwurzeln mit Nebenwurzeln, spricht man von der Allorhizie. Ein Pflanzenbeispiel wäre der Löwenzahn. Auch das Pfahlwurzel- oder Flachwurzelsystem fallen in diese Kategorie. 

Homorrhizie beschreibt die Gleichberechtigung von Wurzeln. Die Hauptwurzel stirbt dabei nach einiger Zeit ab und hinterlässt gleich starke Nebenwurzeln. 

Wusstest Du schon…?
In Bad Harzburg gibt es neben dem Baumwipfelpfad und anderen Attraktionen wie einer Seilbahn auch den Baumwurzelpfad. Hier könnt Ihr Euch über die unterschiedlichen Wurzelsysteme informieren und sogar Wurzeln von unten betrachten. Das ist auf jeden Fall einen Besuch wert! 

Wieso es sich lohnt auch mal auf Wurzeln zu achten? Diese Kiefern aus der Heide sind das beste Beispiel! Seit Jahrzehnten trotzen sie dem kargen und trockenen Boden der Heide und haben dabei wunderschöne Wurzelgebilde entwickelt!

Wie kommt das Wasser durch die Wurzeln in den Baum?

Für die Wasseraufnahme sind die Wurzeln maßgeblich zuständig. Dafür verwenden Bäume zwei wesentliche Effekte. Den Kapillareffekt und Unterdruck. Damit Ihr heute nicht zu sehr mit Wissenschaft bombardiert werdet, fokussieren wir uns auf das für uns Wichtige: Den Unterdruck. 

Für den Unterdruck kann der Baum keinen Kompressor oder eine Wasserpumpe an sich anschließen. Doch so ähnlich wirken die Poren – wissenschaftlich Stomata genannt – auf der (zumeist) Blattunterseite. Sie sorgen dafür, dass Flüssigkeit aus der Pflanze nach außen abgegeben werden und verdunsten kann. Wissenschaftler:innen nennen diesen Skill Transpiration. 

Wasser kann auch auf der Blattoberseite verdunsten. Auf ihr befindet sich eine Art Wachsschicht, die Cuticula. Je nachdem, wie dick diese ist, verdunstet mehr oder weniger Wasser. 
Die Transpiration hängt auch immer mit der Umluft zusammen. Denn je trockener die Umluft ist, desto mehr Wasser wird verdunstet und somit auch nachgezogen. An einem trockenen Sommertag verdunstet eine Baum demnach sehr viel mehr Wasser. Dies tun sie auch, um sich vor einer Überhitzung zu schützen. 

Wusstest Du schon…?
Durch die Transpiration des Waldes können neue Regenwolken entstehen. Circa 45 % der Niederschläge gehen auf die transpirierte Feuchtigkeit der Wälder zurück. 

Jetzt stellt sich aber immer noch die Frage, wo die Pumpe angeschlossen ist!

Dafür solltet Ihr wissen: Wassermoleküle sind viel cooler, als man vielleicht denkt. Sie ziehen sich nämlich gegenseitig an. Heißt also: Wenn Wasser aus der Pflanze verdunstet, wird neues Wasser an diese Stelle gezogen. Das Verdunsten geht also konsequent weiter. Dieser Unterdruck befördert Wasser in die Wurzeln, durch die Pflanze und in die Blätter. Ist eine Wurzel trockener als der Boden, in dem sie liegt, dringt Wasser in sie ein und wird nach oben transportiert. Im Grunde funktionieren Bäume also wie ein Strohhalm, der das Wasser nicht durch durstige Menschen, sondern durch Verdunstung nach oben zieht. 

Diese Luftwurzeln wachsen bis an die Decke von Gesas Zimmer!

Wusstest Du schon…?
Habt Ihr schon mal versucht, durch einen kaputten Strohhalm zu trinken? Wenn in ihm ein Loch oder Riss ist, funktioniert das Trinken meist nicht mehr. Genau so ist das auch bei Wurzeln und den weiteren Wasserleitungen in Bäumen oder Pflanzen. Ein Riss im System kann unter anderem entstehen, wenn Bäume versuchen, Wasser aus einem gefrorenen Boden zu saugen oder im Sommer das Wasser ausgeht und sie weiter transpirieren. Dadurch kann es zum Abriss der Wasserkette kommen. Die Wasserleitung des Baumes ist dann kaputt. Es wird von einer Embolie, also einem Lufteinschluss in der Wasserleitung gesprochen, durch welchen diese nicht mehr zu benutzen ist. 

Wie finden Wurzeln Wasser? 

Pflanzen suchen mit ihren Wurzeln nach Wasser. Das gilt vor allem für die Feinwurzeln. Sie verzweigen sich in alle Richtungen, ändern jedoch aktiv den Kurs, wenn sie nach dem ersten Wachstumsschub in dieser Richtung kein Wasser finden können. 

Bei einem Versuch an der Goethe Universität Frankfurt am Main wurden Wurzeln dafür mit einer Seite in eine Nährlösung und mit der anderen in die Luft gehängt. Obgleich sich an beiden Seiten Wurzeln bildeten, liefen die Wurzelspitzen, die in der Luft lagen, direkt in die Richtung des Wassers. Wieso die Wurzel “weiß” wo das Wasser liegt, ist noch nicht bekannt.

Diese Wurzeln suchen am steilen Hang nach Festigkeit und Wasser. Sie reichen bis in eine feuchte Mulde hinein.

Ein bisschen besser erforscht ist, was das Wurzelwachstum auslöst. Laut Forschungen der Universität Heidelberg ist ein Protein namens “Target of Rapamycin” kurz TOR für die Pflanze ein Signalstoff, der zusammen mit Pflanzenhormonen das Wachstum auslöst. Wann und wieso die Pflanze diese Stoffe einsetzt, also nach welchen Gesetzmäßigkeiten, ist nicht bekannt. 

Ihr merkt: Obwohl wir in unserer Welt von vielen pflanzlichen Organismen umgeben sind, fehlt teilweise eine ausreichende Forschung. Forschungen werden meist gefördert, wenn der Mensch sich einen Vorteil davon erhofft. Wenn es um Wurzelwachstum geht, sind oftmals Interessen der Agrarwirtschaft vertreten. Durch die Erforschung von Wurzelwachstum wird sich in dieser Branche zum Beispiel eine mögliche Steigerung von Ernten erhofft, indem man Pflanzen und ihren Wurzeln die besten Bedingungen schafft oder sie besser gentechnisch manipulieren kann. 

Wurzelfreundschaften 

Wurzeln gehen für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse auch Vereinbarungen mit unterschiedlichen Organismen ein. Wie das mit Pilzen vonstatten geht, erfahrt Ihr in diesem Artikel über Mykorrhiza

Auch die Symbiose mit Bakterien – also ein Zusammenschluss, der für beide Parteien von Vorteil ist – ist für Wurzeln bzw. die Pflanze an sich interessant. Dabei bilden sich an den Wurzeln kleine Knöllchen, in denen Bakterien für die Pflanze Stickstoff binden. Diese Bereitstellung des Stickstoffes findet statt, wenn die Pflanze einen Mangel daran hat. Die Bakterien erhalten dafür Kohlenhydrate von der Pflanze.

Diese Eiche hat nicht nur eine prachtvolle alte Krone ausgebildet, sondern auch ein spannendes Wurzelsystem.

Wurzeln können auch zusammenwachsen. Das hat zur Folge, dass sich Bäume derselben oder unterschiedlicher Arten vernetzen und kollektiv zusammenleben. Sie können daraufhin Stoffe austauschen. Der Zusammenschluss entsteht zumeist durch unter Druck aneinander drückende Wurzeln. Ein negativer Effekt liegt dabei in der Übertragung von Krankheitserregern, die über die Wurzeln an die anderen Bäume weitergegeben werden können. So werden Pilzerreger des Hallimasch noch nach dem Tod des Baumes über die verbundenen Wurzeln an andere Bäume gegeben. Um dies zu verhindern, müssen sich die Bäume rechtzeitig von der verbundenen Wurzel abschotten.  

Wurzelkunst

Wurzeln können ihre Funktionen erweitern. Dafür bilden sie Wurzelteile um und erlangen dadurch nicht nur ein cooleres Aussehen, sondern auch Vorteile! 

  1. Speicherwurzeln
    In Speicherwurzeln werden – wie der Name schon verrät – zusätzliche Nährstoffe oder Wasser gespeichert. 
  2. Atemwurzeln
    In nassen Waldgebieten, wie Mangroven, bilden Bäume Wurzeln, die aus dem Boden nach oben ragen. Diese ungewöhnliche Veränderung nehmen sie vor, um durch ein Durchlüftungsgewebe der Wurzeln Sauerstoff aufnehmen zu können. Sind sie am Stammfuß überflutet und vom Luftaustausch abgeschottet, atmen die Wurzeln, die aus dem Wasser ragen, weiter.  
  3. Haftwurzeln
    Diese habt Ihr mit Sicherheit schon einmal bei Efeu beobachtet! Haftwurzeln dienen z.B. Lianen dazu, sich auch nach oben hin an Bäumen zu verwurzeln und festzuhalten. 
  4. Stützwurzeln
    Wie der Name schon sagt, stützen diese Ausläufer am Stamm den Baum zusätzlich. 
  5. Luftwurzeln
    Luftwurzeln findet man unter anderem bei Orchideenarten. Sie sind dazu da, um Wasser und Nährstoffe aus der Luft aufzunehmen. Dadurch muss die Pflanze nicht mit dem Boden verbunden sein und kann hoch oben in Bäumen – geschützt vor Fressfeinden – vorkommen. 
  6. Saugwurzeln
    Das wohl bekannteste Beispiel für eine Saugwurzel ist die Mistel. Diese Wurzeln sind zumeist parasitisch und bohren ihre Wurzeln in andere Bäume oder Pflanzen. 
  7. Wurzelbrut 
    Aus den Wurzeln einer Pflanze entsteht in einiger Entfernung eine neue Pflanze. 
Diese Efeutute hat sich an Gesas Bücherregal bedient und ist in das Buch hineingewachsen!

War Euch in diesem Artikel etwas neu oder möchtet Ihr noch mehr über Wurzeln lernen? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

Quellen:

Vorlesung Botanik 1 bei Prof. Dr. Henning Wildhagen im Bachelorstudium der Forstwirtschaft an der HAWK 

Goethe Universität Frankfurt am Main (2020): Wie Wurzeln zum Wasser finden https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/biowissenschaften-wie-wurzeln-zum-wasser-finden/#:~:text=%E2%80%9EPflanzen%20verzweigen%20ihre%20Wurzeln%20also,%E2%80%9C 

Universität Heidelberg (2023): Wie Pflanzen mithilfe von Zucker Wurzeln schlagen 

https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/wie-pflanzen-mithilfe-von-zucker-wurzeln-schlagen

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2024): Wurzelsysteme 

https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/wurzelsysteme-336

Ruhr-Universität Bochum (2018): Evolution und Biodiversität der Pflanzen 

https://www.ruhr-uni-bochum.de/biodivpfl/skripte/Sk_21.html#:~:text=Als%20Kormus%20bezeichnet%20man%20den,Vorfahren%20mit%20dieser%20Gliederung%20abstammen.

Eva Monning (2024): Wurzeln https://www.mein-schoener-garten.de/themen/wurzeln

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