Der menschengemachte Klimawandel stellt eine existentielle Bedrohung für uns Menschen dar. Darüber hinaus gibt es noch weitere Lebensgrundlagen, die durch unser Handeln gefährdet sind, wie zum Beispiel die Meere oder die Artenvielfalt.
Unsere Erde stößt an ihre Grenzen – die planetaren Belastungsgrenzen! Das klingt erstmal relativ abstrakt. Dabei geht es lediglich darum, wie weit Ökosysteme von Menschen beeinflusst und verändert werden können, bevor sie durch menschliches Umgestalten kollabieren. Diese Grenzen können uns also dabei helfen, besser mit unserer Welt umzugehen. Wenn Ihr mehr darüber erfahren wollt, lest einfach weiter!
Wie wir unsere Welt an ihre Belastungsgrenzen bringen
Erstmal etwas Kontext. Die planetaren Belastungsgrenzen basieren auf einem durch Johan Rockström entstandenen Fachartikel von 2009. Er ist Wissenschaftler und Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Zusammen mit über 30 internationalen Wissenschaftler:innen verfasste er “A safe operating space for humanity” – Ein sicherer Handlungsbereich für die Menschheit. In dem Artikel präsentieren die Forscher:innen neun zentrale, natürliche Erdsysteme.
Damit meinen sie die wichtigsten Bestandteile der Erde, die unser Leben maßgeblich beeinflussen. Wenn Ihr mehr über die einzelnen Grenzen selbst wissen möchtet, könnt Ihr sie euch im Drop-Down Menü weiter unten näher erklären lassen.
Mittlerweile wissen alle, dass wir Menschen das Klima beeinflussen. Durch die Forscher:innen um Rockström ist jedoch klar, dass wir einen derart starken Anstieg der Temperaturen bewirken, dass wir uns sogar selbst aus dem gegenwärtigen Zeitabschnitt der Erdgeschichte katapultieren. Wie ist das möglich und was bedeutet das?
Das sogenannte Holozän ist das erdgeschichtliche Zeitalter, in dem wir uns durch die natürlichen Entwicklungen der Erde seit über 11.000 Jahren befinden. Dieses Klima würde normalerweise noch mehrere tausend Jahre erhalten bleiben. Doch durch den menschengemachten Klimawandel steigen die Temperaturen so stark, dass wir in ein neues erdgeschichtliches Zeitalter eintauchen werden. Wissenschaftler:innen wollen diesen neuen Zeitabschnitt Anthropozän nennen.
Wusstest Du schon…?
Von 2001 – 2021 verlor die Welt eine Waldfläche, die ungefähr halb so groß ist wie China.
Über die Belastungsgrenzen hinaus ins nächste Erdzeitalter
Das klingt zunächst nicht weiter dramatisch, doch dieses Erdzeitalter bringt Veränderungen mit sich, die wir zuletzt vor 5 – 10 Millionen Jahren hatten. Die Forscher:innen sehen die Stabilität unseres jetzigen Klimas als maßgeblichen Faktor für die große Entwicklung der Menschheit an. Denn die Gewissheit von Jahreszeiten mit bekannten Temperaturen oder moderatem Regenfall sichert die Lebensgrundlage der Menschen beispielsweise durch absehbare Ernten in der Landwirtschaft.
Die Wissenschaftler:innen um Rockström plädieren deshalb dafür, dass wir versuchen, das Holozän zu erhalten. Dies kann uns nur gelingen, wenn wir in den von ihnen vorgegebenen Grenzen der Systeme handeln.
Genau dafür gibt es nun die planetaren Belastungsgrenzen. Sie zeigen, wie weit die Ökosysteme oder andere grundlegende Prozesse unseres Planeten von Menschen beeinflusst und verändert werden können, bevor sie aus den Fugen geraten und weitere Konsequenzen nach sich ziehen.
Dafür entwickelten die Wissenschaftler:innen ein Ampel-System. Grün steht für den Bereich, in dem sich der sichere Handlungsraum befindet. Gelb steht für ein steigendes und rot für ein hohes Risiko. Da einige der Grenzen bereits so weit überschritten sind, dass das potentielle Risiko bereits drastische Folgen hatte, wurden weitere Farben wie Schwarz später ergänzt. Sie zeigen, dass wir uns teilweise schon jetzt an Kipppunkten befinden, die desaströse Ausmaße hervorrufen werden, sofern man nicht jetzt handelt.
Welche Grenzen gibt es, abgesehen vom Klimawandel?
Neue Substanzen und modifizierte Lebensformen
Durch die Landwirtschaft, unterschiedliche Industriezweige oder Energiegewinnung gelangen oftmals Substanzen in die Natur, mit denen diese nicht umgehen kann. Pestizide, Düngemittel, Schwermetalle oder radioaktive Materialien verändern unsere Umwelt und können die Tier- und Pflanzenwelt stark beeinträchtigen. Viele Materialien werden vor ihrem Einsatz nur unzureichend auf ihre Wechselwirkungen mit der Umwelt getestet. Das kann auch dazu führen, dass sich das Erbgut von Lebensformen ändert, weil sie sich an die vom Menschen verursachten Veränderungen anpassen. Doch auch der Mensch bringt diese veränderten Lebensformen aktiv ein. Dazu gehören beispielsweise genetisch veränderte Weizen-Sorten, die schneller reif werden oder mehr Früchte tragen. Dies bringt den Menschen zwar vorerst einen Vorteil, verdrängt jedoch die ursprünglichen Arten.
Intaktheit der Biosphäre
Die Biosphären-Intaktheit beschreibt die starken Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen vielen Tier- und Pflanzenarten.
Diese planetare Belastungsgrenze ist in die Teile funktional und genetisch gegliedert. Denn das Artensterben bedroht nicht nur die genetische Vielfalt von Artengruppen und damit auch ihre Anpassungsfähigkeit an Umweltänderungen. Durch die unweigerlichen Zusammenhänge können auch die Funktionen von Ökosystemen stark beeinträchtigt werden. Ein Beispiel dafür sind die Folgen des Bienensterbens. Alleine der Verlust dieser Artengruppe würde das Wegfallen von vielen Pflanzenarten und Lebensmitteln bedeuten, die durch eine Bestäubung auf die Bienen angewiesen sind. Ein Aussterben von mehr als einer Tiergruppe zieht demnach noch größere Folgen nach sich.
Ozonverlust der Stratosphäre
Einige Industriegase – Achtung, Zungenknoten: Fluorchlorkohlenwasserstoff (kurz FCKW, das kennt Ihr vielleicht noch vom Kühlschrank Eurer Großeltern) – haben zu der Schädigung der Ozonschicht geführt, wodurch ein höheres Maß an UV-Strahlung auf die Erde gelangen kann. 1985 wurde der Ausstoß dieser Stoffe untersagt, die unter anderem in Kühlschränken als Kältemittel, aber auch in den Farbdosen von Förster:innen genutzt wurden. Mehr dazu findet Ihr unter “Jetzt mal Schluss mit Hiobsbotschaften”.
Aerosole
Aerosole sind Schwebeteilchen, die sich in unserer Luft befinden. Neben Staub, der zum Beispiel natürlicherweise aus der Sahara kommen kann, produzieren die Menschen auch selbst Aerosole wie Feinstaub.
Da die Schwebeteilchen in manchen Gebieten sehr stark ausgestoßen werden, können sie dort das Klima, Wetter und die Gesundheit der Menschen beeinflussen. Die Industrie- und Verkehrsabgase verursachen dabei Atemwegserkrankungen. Darüber hinaus sorgen sie dafür, dass es geringeren Regenfall in Monsun-Gegenden gibt oder sich der Ort des Regenschauers verschiebt. Befinden sich zum Beispiel in der südlichen Hemisphäre viele Aerosole, fällt als Auswirkung in der nördlichen Hemisphäre mehr Regen, der dafür im Süden fehlt.
Landnutzungswandel
Der Mensch verändert seine Umwelt immerzu. Wenn wir Straßen oder Häuser bauen, führt das zu einer Versiegelung von Flächen. Zum Beispiel kommt der Regen an diesen Orten nicht mehr ungestört ins Erdreich. Neben Flächenversiegelungen gibt es auch Flächenumwandlungen, wie zum Beispiel Felder. Die Wissenschaftler:innen um Rockström sehen den Wald als einen wichtigen CO2-Speicher, dessen Umwandlung zu Ackerland oder anderen Nutz- und Wohnflächen drastische Folgen nach sich zieht. Deswegen geben sie als sicheren Handlungsspielraum dieser Grenze eine angestrebte Bewaldung der tropischen, borealen und gemäßigten Klimazonen an. So können ihrer Meinung nach Kipppunkte der Ökosysteme vermieden werden.
Die planetare Belastungsgrenze des Landnutzungswandels ist bereits überschritten. Doch es gibt Lösungsansätze, wie die fortschreitende Umwandlung von Wäldern beendet werden und die Nahrungssicherung dennoch bestehen bleiben könnte. Mehr dazu erfahrt Ihr in unserem Artikel zum Landnutzungswandel.
Wusstest du schon…?
Der größte Flächenverbrauch geht mit dem Fleischkonsum der Menschen einher. Für die Viehhaltung werden Wälder in Weideflächen umgewandelt oder Soja für die Massentierhaltung angebaut.
Biogeochemische Kreisläufe
Diese planetare Belastungsgrenze ist in den Stickstoff- und Phosphorkreislauf unterteilt. Stickstoff und Phosphor sind Elemente, die natürlicherweise im Boden vorkommen. Durch chemische Düngemittel nimmt ihre Menge in der Umwelt jedoch drastisch zu und bringt ein Ungleichgewicht hervor. Die überschüssigen Mengen werden durch Regen ausgewaschen und gelangen in Seen oder Flüsse, wo sie durch einen Nährstoffüberschuss (auch Eutrophierung genannt) ganze Ökosysteme bedrohen. Ihr kennt das vielleicht aus dem Sommer, wenn der nahegelegene Badesee wieder gekippt ist und dort die Fische sterben. Das ist eine Folge von Eutrophierung.
Versauerung der Meere
Diese planetare Belastungsgrenze wird maßgeblich durch die menschlichen Emissionen beeinflusst. Die Meere nehmen das Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und binden es. Doch je mehr CO2 aufgenommen wird, desto mehr reagiert das Wasser damit. Und es entsteht Kohlensäure. Säuren haben bekanntlich einen niedrigen pH-Wert, wodurch Lebensformen wie Korallen angegriffen und somit getötet werden. Aber auch die natürliche Erwärmung setzt vielen Tieren zu.
Süßwassernutzung
Die Süßwassernutzung wird in die Grenzen des Grünen und Blauen Wassers unterteilt. Blaues Wasser beschreibt Oberflächen- und Untergrundwasser in Flüssen oder das Grundwasser. Grünes Wasser ist das pflanzenverfügbare Wasser. Dieses beeinflusst Ökosysteme, Klima und biochemische Prozesse.
Auch hier gibt es Abweichungen von den ursprünglichen Verteilungen des Wassers. Das Problem stellt dabei nicht nur das Ausbleiben von Wasser und die damit einhergehende Dürre dar. Der Überschuss von Wasser durch Überflutungen nimmt zu. Verändert sich der Wasserhaushalt von Ökosystemen, führt dies oftmals zum Tod vieler Tier- und Pflanzenarten, da sie spezifisch auf das Ökosystem angepasst sind.
Wie schlagen wir uns?
Seit 2009 hat sich leider noch nichts verändert. Wir steuern weiterhin auf die Überschreitung der meisten Grenzen zu. In Rockströms erstem Fachartikel waren es nur drei überschrittene Grenzen, nun sind es bereits sechs von neun.
Wusstest Du schon…?
Ein Achtel aller Tierarten der Welt sind gefährdet. Über 10 Prozent der genetischen Vielfalt von Pflanzen und Tieren hat die Menschheit wahrscheinlich in den letzten 150 Jahren schon verloren.
Dennoch wurden die planetaren Belastungsgrenzen 2015 mit in die Sustainable Development Goals (kurz SDGs) mit aufgenommen.
Die SDGs sind eine Agenda für 2030, welche von den Vereinten Nationen entworfen wurde. Durch 17 globale Ziele sollen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte auf der Welt vereinigt werden, um ein gemeinsames Leben auf der Erde zu ermöglichen.
Die planetaren Belastungsgrenzen finden durch die Punkte Klima, Trinkwasser, Biodiversität und Meere Einzug. Sie werden als ökologische Grundlage von allen anderen Nachhaltigkeitszielen wahrgenommen und sollten also bis 2030 weiterhin gesichert und zugänglich sein. Ein Schritt in die richtige Richtung ist also getan.
Jetzt mal Schluss mit Hiobsbotschaften!
Das war jetzt viel auf einmal. Doch die Botschaft dieses Textes soll nicht sein, dass die Welt unweigerlich untergehen wird. Denn es gibt immer mehr Menschen, die sich der Probleme der anthropozänen Einflüsse bewusst werden und etwas dagegen tun möchten.
Nicht ohne Grund gehen seit 2018 etliche Schüler:innen bei Fridays for Future auf die Straße. Nicht ohne Grund versuchen viele, ihr Konsumverhalten zu verändern. Und nicht ohne Grund lest Ihr gerade diesen Text. Es ist nämlich nicht zu spät!
Ein Beispiel, was uns Hoffnung machen kann, ist das Ozonloch. Klingt erstmal komisch, aber lasst mich ausschreiben. Nachdem 1985 bekannt wurde, dass durch einen weltweit viel genutzten Stoff das Ozonloch entstanden war, arbeitete die Welt zusammen. Die schädlichen Stoffe wurden verboten. Forscher:innen gehen davon aus, dass sich das Loch 2100 wieder geschlossen haben wird, da die Stoffe dann vollständig abgebaut sein werden. Ja, wir waren auch der Grund für die Entstehung, aber der Notstand wurde erkannt und die Maßnahmen haben gefruchtet. Und genau da wollen wir hin.
Die planetaren Belastungsgrenzen können uns dabei helfen.
Wollt Ihr wissen, was der Wald damit zu tun hat und wie wir die Landnutzung verändern müssen, um etwas verändern zu können? Dann gibt es in unserem Artikel zur Landnutzungswende nächsten Monat mehr zu dem Thema.
Quellen:
BMUV: Planetare Belastbarkeitsgrenzen (2021), URL: https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit/integriertes-umweltprogramm- 2030/planetare-belastbarkeitsgrenzen, Zugriff am 14.01.2024
Research Gate, URL: https://www.researchgate.net/figure/Conceptual-framework- for-planetary-boundaries-and-their-interactions-a-Planetary_fig1_337953629, Zugriff am 23.01.2024
Richardson, K. et al.: Earth beyond six of nine planetary boundaries (2023), in: Science Advances, URL: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adh2458, Zugriff am 23.01.2024
Rockström, J. et al.: A safe operating space for humanity (2009), in: Nature
Schulz, C.: Planetare Grenzen – Über die Belastbarkeitsgrenzen der Erde (2023), in: CareElite, URL: https://www.careelite.de/planetare-grenzen/, Zugriff am 14.01.2024
Stockholm Resilience Centre: Planetary boundaries (2023), URL: https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html, Zugriff am 16.01.2024
TED: Johan Rockström – 10 years to transform the future of humanity or destabilize the planet (2020),URL: https://www.youtube.com/watch?v=8Sl28fkrozE&t=305s&ab_channel=TED, Zugriff am 23.01.2024
Fenja
21. Februar 2024 — 14:17
Super Artikel! Ein wichtiges Thema!
Gesa
21. Februar 2024 — 15:11
Hi Fenja, Danke dir!