Windenergie aus dem Wald – Kampf gegen den Klimawandel zu Lasten des Naturschutz’?

Ist die Windenergie im Wald eine Chance, erneuerbare Energien noch weiter voran zu bringen? Windenergieanlagen (WEA) prägen unser Landschaftsbild bereits im Offenland, doch seit einigen Jahren nimmt der Ausbau von solchen Anlagen auch im Wald zu. Der Wald alleine kann den Klimawandel nicht aufhalten – es besteht dringender Handlungsbedarf. Der Ausbau von erneuerbaren Energien, wie beispielsweise der Windkraft, soll unter anderem dazu beitragen, menschengemachte Emissionen von Treibhausgasen zu verringern. Die neue Regierung hat es sich im Koalitionsvertrag auf den Plan geschrieben diesen Ausbau weiter voran zu bringen. Und wie kann der Ausbau mit dem Naturschutz vereinbart werden? Führen diese Anlagen nicht zu einer weiteren Zerschneidung und Zerstörung von wichtigen Lebensräumen? Alle wichtigen Informationen dazu erhaltet Ihr in diesem Artikel. 

Baum vs. Kilowatt?

Bildunterschrift: Windenergieanlagen prägen bereits im Offenland unser Landschaftsbild.

Während auf der einen Seite der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreiten soll, um so die Energiewende in Deutschland anzutreiben und dem Klimawandel entgegen zu wirken, steht auf der anderen Seite der notwendige Eingriff der Flächenrodung im Wald, sowie die Auswirkungen auf die Tierwelt, vor allem auf Vögel und Fledermäuse. Die Errichtung von WEA im Wald führt zu einer weiteren Zerschneidung und Zerstörung des Lebensraums Wald. Mehr Informationen zu daraus resultierenden Auswirkungen auf die Tierwelt findet Ihr in diesem spannenden Artikel. Die verlorene Fläche steht auch dem Schutz und Erhalt von Waldfläche entgegen. Auch über die wichtigen Ökosystemleistungen und den Wald als unseren wichtigsten Klimaschützer haben wir Euch bereits in einem anderen Artikel berichtet. Eine weitere Beeinträchtigung, ebenso wie im Offenland oder auf dem Wasser, sind die Lärm- und Schattenemissionen der WEA.

Während sie im Wald zwar weniger den Menschen beeinflussen, wirken sie sich aber natürlich negativ auf die Tierwelt aus. Die Anlagen und die Rotorblätter sind eine Gefahr für Vögel und Fledermäuse. Im schlimmsten Fall kann es zu Kollisionen mit Vögeln kommen, teilweise Zerschneiden und Stören die Anlagen aber auch die Flugrouten oder Brutplätze bestimmter Arten. Wie viele Individuen jährlich wirklich durch Kollisionen verenden, ist nicht genau bekannt. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich deutlich höher als die Anzahl der gefundenen verendeten Tiere. 

Wusstest Du schon…?
Im Durchschnitt verbrauchen deutsche Haushalte 1.300 Kilowattstunden pro Jahr. Ein Windrad produziert im Jahr ca. 4 -7 Millionen Kilowattstunden. Ein einziges Windrad kann also 1.200 -3.000 Haushalte mit 3 Personen für ein Jahr lang versorgen. Offshore-Anlagen können sogar bis zu 60.000 Millionen Kilowattstunden erzeugen und bis zu 17.000 Haushalte ein Jahr lang versorgen.

Passiert die Energiewende in Deutschlands Wäldern?

Die Ampelkoalition strebt an, das “fossile” Zeitalter in Deutschland hinter sich zu lassen und mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien das 1,5 Grad Ziel im Kampf gegen den Klimawandel zu erreichen. Bis zum Jahr 2030 sollen 80% des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Die in Deutschland am stärksten vertretene “erneuerbare Energie” ist die Windkraft.

Wusstest Du schon…? 
Bei WEA unterscheidet man zwischen Onshore- (auf dem Land) und Offshore- (auf dem Wasser) Anlagen. In Deutschland gibt es (Stand 2021) ca. 28.000 Onshore-Windenergieanlagen mit einer  gemeinsamen Leistung von etwa 56.000 Megawatt. 

Neben Offenlandflächen werden auch Waldflächen immer attraktiver, um Windenergieanlagen zu errichten. Seit 2010 ist hier ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Während damals jede achtzehnte Windenergieanlage im Wald stand, waren es im Jahr 2016 bereits jede vierte. Doch was macht die Windenergie im Wald überhaupt so attraktiv?

Windenergieanlagen im Wald? Auch hier soll der Ausbau deutlich erhöht werden, um die Energiewende weiter voranzubringen.

Wieso werden Windkrafträder in den Wald gesetzt?

Die Standorte der Windenergieanlagen im Wald haben in den letzten Jahren zugenommen. Stand 2021 befanden sich 2.300 Anlagen im Wald und machten 11% der gesamten Leistung aus. Mehr als 90% der Anlagen in Waldgebieten liegen in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Wieso weicht man von Offenlandschaften auf die Wälder aus? Die Antwort ist recht trivial: der Platz reicht in den Offenlandschaften nicht mehr aus. Vor allem waldreiche Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Hessen besitzen einfach nicht genügend windhöffige Standorte in Offenlandschaften, in denen man Windenergieanlagen konfliktfrei errichten könnte. Da man einen weiteren Ausbau von WEA anstrebt, erhöht sich vermutlich auch der Anteil der Waldstandorte. Auch in waldärmeren Bundesländern wie Brandenburg gibt es bereits Anlagen im Wald.

Doch nicht alle Bundesländer machen den Weg frei für die Windenergie im Wald. In Thüringen ist seit einer Änderung des Landeswaldgesetzes die Errichtung von Windenergieanlagen nur in Offenlandschaften möglich. Auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist eine Errichtung im Wald nicht möglich. In NRW und Niedersachsen es momentan nur eingeschränkt zulässig.

Wusstest Du schon…?
Windhöffigkeit bezeichnet das durchschnittliche Windaufkommen an einem Standort und ist Maßstab für die Errichtung einer Windenergieanlage an einem bestimmten Ort. 

Was macht Windenergie im Wald so attraktiv?

Die Windenergieanlagen im Wald können, ebenso wie im Offenland oder auf dem Wasser, mit Einschränkungen und Gefahren für die Tierwelt verbunden sein.

Wie schon zuvor erwähnt, führt eine Verknappung von möglichen Standorten im Offenland dazu, dass Waldstandorte immer attraktiver für die Errichtung von Windenergieanlagen werden. Erst durch den neuen technischen Fortschritt ist dies überhaupt möglich. Windräder sind heute auch viel höher als die “älteren Generationen”. Dadurch ragen sie weit über die Baumkronen hinaus und können den Wind, der weiter oben viel regelmäßiger weht, noch effizienter einfangen. Ein Vorteil von Waldstandorten ist, dass diese meist in größerer Entfernung zu Siedlungsgebieten liegen, wodurch das Konfliktpotential mit Anwohner:innen kleiner ist. Für Waldbesitzer:innen dürfte vor allem die Zahlung einer Pacht für die Flächennutzung durch das Windenergieunternehmen äußerst attraktiv sein. Diese kann eine Höhe von mehreren 10.000 Euro pro Windrad erreichen. 

Wusstest Du schon…?
Das größte Windrad steht in der Nähe von Stuttgart. Es hat eine Gesamthöhe von 246,5 Metern!

Welche Waldflächen dürfen überhaupt genutzt werden?

Für die Errichtung der WEA im Wald muss natürlich auch Wald weichen. Ungefähr 0,5 Hektar werden dafür im Schnitt benötigt.

Bei der Auswahl von Standorten für WEA im Wald soll man vor allem Waldflächen mit einem geringen naturschutzfachlichen Wert, mit möglichst großem Abstand zu Siedlungen und bereits bestehender Infrastruktur auswählen. Als naturschutzfachlich wertvoll gelten zum Beispiel besonders alte Waldbestände mit heimischen Baumarten, die viele Alt- und Habitatbäume aufweisen. Weniger wertvoll wären hingegen stark genutzte Wälder mit Reinbeständen. Außerdem soll man entstandene Freiflächen durch Sturm oder Kalamitäten für die Errichtung von WEA bevorzugen.

Als sogenannte Tabu-Gebiete gelten Naturschutzgebiete oder auch Nationalparks. Hier dürfen also keine Anlagen stehen. Standorte wie Landschaftsschutzgebiete oder FFH-Gebiete müssen zunächst überprüft werden. Auf Landschaftsschutzgebieten soll der Ausbau in Deutschland nun jedoch auch erhöht werden. Wenn ein Standort für den Bau einer WEA in Frage kommt, muss dauerhaft eine gewisse Fläche an Wald gerodet werden und für den Bau noch ein bisschen mehr, die anschließend neu bepflanzt wird. Natürlich braucht die Anlage Platz. Weiterhin muss aber auch eine Infrastruktur geschaffen werden, um die Anlage bspw. in Stand zu halten.

Wusstest Du schon…?
Im Durchschnitt werden für den Bau einer WEA im Wald ca. 0,46 Hektar Fläche dauerhaft umgewandelt. Das entspricht ungefähr der halben Fläche eines Fußballfeldes.

Wie gefährlich sind WEA für den Wald?

WEA stellen vor allem für Vogel- und Fledermausarten eine Gefahr dar. Zu einer besonders beeinträchtigten Art zählt der Rotmilan. Diese gilt als am meisten von Kollision betroffene Vogelart. Eine Studie kam außerdem zu dem Ergebnis, dass das Vorkommen von Rotmilanen mit dem Vorkommen von mehr WEA deutlich abnimmt. Mehr dazu könnt Ihr auch nochmal hier nachlesen. Auch auf die Diversität bestimmter Fledermausarten hat der Ausbau von Windenergie im Wald einen negativen Einfluss. Eine Studie im Bayerischen Wald kam zu dem Ergebnis, dass für Arten wie die gefährdete Breitflügelfledermaus, den großen Abendsegler, die Zwergfledermaus, oder die stark gefährdete Zweifarbfledermaus ein besonders hohes Risiko ausgeht. 

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) entwickelte zum Schutz der Arten die sogenannten Helgoländer Papiere. Diese geben bestimmte Empfehlungen ab wie bspw. Mindestabstände von WEA zu bedeutsamen Vogelbrutplätzen oder Lebensräumen. Mehr dazu findet Ihr auch noch mal hier

Vor allem der Rotmilan gilt als besonders von WEA gefährdete Vogelart.

Wusstest Du schon…?
Die Vogelschutzwarte in Brandenburg erhebt seit 2002 Daten zu verendeten Vögeln durch Windenergieanlagen. Insgesamt 3550 Kollisionsopfer wurden zwischen 2020 und 2017 gezählt.

Ist ein Kompromiss die Lösung?

Sowohl der Erhalt von Waldflächen als Schutz- und Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten und weiteren Ökosystemleistungen, als auch der Ausbau von erneuerbaren Energien um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, kann man als enorm wichtig ansehen. Sie kollidieren aber in einigen Aspekten stark miteinander. Was kann man tun, um für beide angestrebten Ziele einen Lösungsweg zu finden? Wie so oft ist ein Kompromiss nötig. Fraglich ist dabei, inwieweit man auf einem der beiden Gebiete Abstriche machen kann und sollte.

Besonders wichtig ist die Auswahl des Standortes der WEA. Auch wenn es etwas verrückt klingt, ist Wald nicht gleich Wald. Vor allem naturschutzfachlich wertvolle Waldflächen sollte man beim Bau von WEA vermeiden. Wichtig ist außerdem ein angemessener Abstand zu Flugrouten und Brutplätzen und die Beachtung von Brut- und Setzzeiten während der Errichtung der Anlagen. Sinnvoll könnte außerdem ein intervallartiges Abschalten der Anlagen sein. In Norwegen gibt es außerdem erste Ergebnisse aus einer Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass eine farbliche Hervorhebung der Rotorblätter die Kollisionsgefahr verringern konnte. Mehr dazu könnt Ihr hier nachlesen.

So kann Windenergie im Wald aussehen. Die Windräder ragen weit über die Bäume hinaus.

Windenergie aus dem Wald – Ja oder Nein?

Die Windenergie im Wald ist eine große Chance für den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien. Sehr kritisch muss man allerdings auf die teilweise extremen negativen Einflüsse auf die Tier- und Pflanzenwelt gucken. Diese stehen naturschutzfachlichen Zielen entgegen. Es werden also bestimmte Regelungen und Kompromisse nötig zu sein, um den weiteren Ausbau von Windenergie im Wald voranbringen zu können. Spannend bleibt auch, ob die Bundesländer, in denen der Bau im Wald bisher nicht zulässig ist, diese Regelung beibehalten oder ob man in Zukunft auch dort WEA im Wald errichtet. Auch wenn die Windenergie und deren Ausbau im Zuge des Klimawandels eigentlich zu begrüßen wäre, steht sie den Punkten des Walderhalts und Artenschutzes teilweise konträr gegenüber.

Wir hoffen, wir konnten Euch mit diesem Artikel einen groben Überblick über die Situation der Windenergie in Deutschlands Wäldern geben. Wir würden gerne Eure Meinung zu diesem Thema wissen. Würdet Ihr einen vermehrten Ausbau von WEA im Wald begrüßen? Wie kann man den Schutz von Wäldern in Zukunft besser mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien vereinen? Schickt uns gerne Eure Ideen und Meinungen dazu!

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