Wenn Ihr im Wald spazieren geht, habt Ihr bestimmt schon viele Tiere entdecken können. Dabei geht es nicht nur um die großen Vertreter wie Reh-, Rot- oder Schwarzwild. Auch Vögel tummeln sich am Boden im Laub oder in den Kronen der Bäume. Doch sind dies die kleinsten Bewohner des Waldes oder gibt es noch andere, vielleicht besser versteckte?
Und wieso ist der Wald nicht überfüllt, wenn ihn sich doch so viele Tiere als Wohnung ausgesucht haben? Was ökologische Nischen dabei für eine Rolle spielen und was mit „Mikrohabitate“ gemeint ist, erfahrt Ihr in diesem Artikel.
Wusstest Du schon…?
Die Hauskatze ist eine große Bedrohung für unsere einheimischen Vögel. Sie töten jährlich bis zu 200 Millionen Stück. Dabei sind vor allem verwilderte Hauskatzen ein großes Problem, da sie nicht nur als Freizeitbeschäftigung jagen, sondern davon leben müssen. Darüber hinaus können sie sich in der Natur unkontrolliert vermehren.
Wer treibt sich wo herum?
Jede Tierart hat besondere Ansprüche an Nahrung, Klima und Wohnort. Das Rebhuhn brütet beispielsweise auf dem Boden, während die Amsel eine Erhöhung durch einen Baum oder eine Hecke bevorzugt. Durch die unterschiedlichen Ansprüche und die für sie relevanten beeinflussenden Umweltfaktoren, besiedeln die Arten unterschiedliche Lebensräume, auch Habitat genannt. Dies wird dann die sogenannte ökologische Nische jeder Tierart, also ihr spezifischer Lebensraum. Je kleiner das Tier, desto kleiner der Lebensraum. Ein Mikrohabitat beschreibt demnach einen kleinen Lebensraum. Bei einem Baum wäre dies zum Beispiel ein toter Ast, ein Riss in der Rinde oder eine Höhle im Baumstamm selbst. Obwohl diese Verletzungen negativ für die Vitalität oder den wirtschaftlichen Wert des Baumes sind, haben sie einen hohen naturschutzfachlichen Wert. Denn manche Tier- und Pilzarten sind gerade auf ältere und geschädigte Bäume als Lebensraum angewiesen.
Wusstest Du schon…?
Ein ganz besonderes Habitat ist ein Dendrotelm. Dabei handelt es sich um eine mit Regenwasser gefüllte Baumhöhle. Sie bietet nicht nur eine Wassertränke für Vögel, sonder auch einen Lebensraum für kleine Wasserinsekten.
Habitatbäume – der Neubau unter den Habitaten
Mikrohabitate sind oft Nebenerscheinungen eines Alterungsprozesses. Je dicker ein Baum wird, desto mehr Mikrohabitate entstehen. Denn je älter die Bäume werden, desto häufiger entstehen Verletzungen und es sterben immer mehr Teile des Baumes ab. Eben diese werden dann zu Mikrohabitaten. Gerade Laubbäume schaffen mit steigendem Alter diverse Lebensräume. Ab einem BHD von 80 cm kann ein Baum als ein Habitatbaum ausgewählt werden. Dieser soll dann wegen seines besonderen ökologischen Wertes erhalten bleiben, um die Biodiversität der Tier- und Pflanzenwelt durch seine Mikrohabitate zu erhöhen. Dabei ist es empfehlenswert eine Art Habitatbaum-Insel zu erschaffen, also eine Art Pulk mit mehreren älteren Bäumen auf kleiner Fläche. So können sich Arten, welche auf Mikrohabitate angewiesen sind, in diesem Bereich am besten vermehren. Dabei werden sie in ihrer Vermehrung nicht auf einen Baum beschränkt, sondern können sich in der Habitatbaum-Insel besser entwickeln. Mehr dazu könnt Ihr in unserem Totholz Artikel lesen.
Durch verschiedene Waldprogramme für eine naturnahe Waldbewirtschaftung wie dem LÖWE Programm der Niedersächsischen Landesforsten, wird sogar eine Mindestzahl der notwendigen Habitatbäume vorgegeben.
In einem solchen Baum kann man dann Pilze, Käfer und Insekten, sowie Vogelarten wie den Specht neben dem Siebenschläfer finden. Durch die unterschiedlichen Mikrohabitate ist es den Tieren möglich, in nur einem Baum gemeinsam zu leben, ohne sich groß in die Quere zu kommen.
Wusstest Du schon…?
Füchse, Dachse, Kaninchen leben in Tunnelsystemen, die man als Bau bezeichnen kann. Eigentlich sollte jede Art einen eigenen Bau haben, doch manchmal kommt es dazu, dass sich diese Tiere einen Wohnort “teilen”. Sie leben dann an unterschiedlichen Orten im Tunnelsystem und begegnen sich zumeist nicht. Doch auch bei einem zufälligen Treffen geht dies konfliktlos vorüber und die Tiere tun sich nichts. Es heißt bei dieser verrückten Wohngemeinschaft, die Tiere würden “Burgfrieden” halten, sich also als Mitbewohner verschonen.
Totholz – der Alt- und Abbau
Auch Totholz ist ein wichtiger Faktor zur Erhaltung der Artenvielfalt im Wald. Gerade holzbewohnende, sogenannte xylobionte Käfer, tragen zum Abbau des Totholzes bei. Sie sind auf das tote Holz als Lebensgrundlage angewiesen. Durch die Bewirtschaftung des Waldes und die damit einhergehende Nutzung des Rohstoffes Holz, werden die Bäume jedoch schon vor ihrem Zerfall geerntet. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Hälfte der in Deutschland vorkommenden xylobionten Käfer auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen. Das bedeutet, dass sie immer seltener in Deutschland leben.
Deshalb sollte auch auf eine gewisse Menge Totholz im Wald geachtet werden. Und das hilft nicht nur den Käfern, sondern auch anderen Arten. So entstehen zum Beispiel Höhlen, in welchen Vögel nisten können und Nahrung in Form der Käfer finden. Auch Fledermäusen oder Eidechsen dienen die Käfer als Nahrung. Sie schaffen so durch ihre Anwesenheit Mikrohabitate für weitere Arten.
Also einfach ein paar Bäume fällen und liegen lassen?
Ganz so einfach ist es nicht. Um die Anzahl der Mikrohabitate zu erhöhen, muss das Totholz an der richtigen Stelle platziert werden.Wenn ein Stamm zum Beispiel in der Sonne liegt, können sich die Larven durch die Wärme besser entwickeln. Ist dieser jedoch von einem Kronendach abgeschirmt, besiedeln die Käfer das Holz weniger stark. Darüber hinaus ist der Anteil der im Holz lebenden Käfer von der jeweiligen Zersetzungsphase des Holzes und der Baumart abhängig. Nach fünf Jahren ist der Zerfall des Holzes weniger vorangeschritten als nach zehn Jahren. Wenn Tierarten sehr zersetztes Holz als Mikrohabitat benötigen, dauert es also eine Zeit, bis sie am Totholz vorkommen können. Es ist deswegen empfehlenswert, in einem gleichmäßigem Rhythmus Totholz hinzuzufügen, damit alle Stadien des Zerfalls vorkommen und Lebensräume bieten können.
Auch der Unterschied von stehendem und liegendem Totholz ist von Bedeutung, da beispielsweise Spechte – als wichtige Lebensraum schaffende Art – stehendes Totholz bevorzugen.
Das Absterben eines Baumes ist ein langer Prozess, der zumeist bei sehr alten Bäumen auftritt. Zu Lebzeiten des Baumes bietet er dabei aber ebenfalls wichtige Mikrohabitate als Habitatbaum.
Wusstest Du schon…?
Wenn im Sommer ein Käfer in dein alkoholisches Getränk fliegt, muss das nicht immer ein Zufall sein. Der gestreifte Nutzholzborkenkäfer beispielsweise wird von Alkohol angezogen, da auch frisch abgestorbene Bäume einen alkoholischen Duft verströmen. In den abgestorbenen Bäumen legt der Käfer seine Brutgänge an, legt Eier ab und “züchtet” für die schlüpfenden Larven den Ambrosiapilz als Nahrung heran. In dem von den sterbenden Bäumen ausgeschütteten Alkohol können diese Pilze sehr gut gedeihen. Man findet sie deswegen oft in den Bohrgängen von Holz zersetzenden Käfern.
Stein der Weisen – Eidechsen
Im Wald befinden sich nicht nur Bäume als mögliche Habitate. Auch Felsen bilden eine Vielzahl an Mikrohabitaten, vor allem wenn sie durch Verwitterung Felsspalten und kleine Höhlen bieten. Besonders auf dunklen, nach Süden ausgerichteten Felsen findet man unterschiedliche Reptilien wie Eidechsen oder Schlangen. Auf zerklüfteten Felsen können darüber hinaus auch Pflanzen besser wurzeln.
Habt Ihr besondere Lebensräume in Euren Wäldern entdeckt, über die Ihr gerne mehr erfahren wollt? Dann schreibt es doch gerne in die Kommentare!
H.Modler
17. Oktober 2021 — 22:35
Sehr guter Text und wie immer sehr lehrre
ich!
Macht weiter so!!!