Heute möchten wir Euch die größte heimische Wildart unserer Wälder vorstellen. Es geht um das Rotwild. Was das Rotwild mit dem Disneyfilm “Bambi” zu tun hat, weshalb der Rothirsch als “König der Wälder” bezeichnet wird und welche Probleme es mit dem Menschen gibt, erfahrt Ihr in diesem Artikel.

Hier seht Ihr einen Rothirsch im Winterkleid.

Der Hirsch ist kein männliches Reh!

Dieser Irrglaube entstand durch den Disneyfilm “Bambi”. In diesem ist der Vater von Bambi ein Rothirsch und seine Mutter eine Rehdame. Das ist natürlich falsch. Übrigens gehört Bambi zu den aus Amerika stammenden Weißwedelhirschen, die es bei uns in Deutschland gar nicht gibt. Die namensgebende rötliche Fellfarbe des Rotwildes ist dem der Rehe zwar sehr ähnlich, doch lässt sich das Rotwild sehr einfach von einem Reh unterscheiden. Mit einem Körpergewicht von teilweise über 200 Kilogramm kann man einen Hirsch eigentlich nicht mit dem etwa zehn Mal leichteren Rehbock verwechseln. Das Geweih ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, denn Hirsche tragen eine viel verzweigte imposante Krone auf ihrem Kopf herum. Lediglich die 1-jährigen Hirsche haben nur unverzweigte Einzelstangen. Das ist auch die einfachste Möglichkeit, um junge Hirsche von den älteren Tieren abzugrenzen. Bei den weiblichen Tieren ist das schon schwieriger und erfordert ein bisschen Erfahrung.

Wusstest Du schon…?
Die Anzahl der Geweihspitzen lässt keinen Rückschluss auf das Alter eines Hirsches zu. Die Entwicklung ist abhängig vom genetischen Erbmaterial und Nahrungsverfügbarkeit. Lediglich Hirschkälber lassen sich durch ein fehlendes Geweih und 1-jährige Hirsche durch unverzweigte Stangen recht eindeutig bestimmen.

Der König des Waldes?

Der Rothirsch als größte heimische Wildart wird oft als “König des Waldes” betitelt. Eigentlich ist aber genau das Gegenteil richtig. Ursprünglich war der König der Wälder ein Steppenbewohner und streifte durch die Offenlandschaft. Das erkennt man schon allein daran, dass so ein großes Geweih völlig unpraktisch in einem dichten Wald ist. Habt Ihr schon mal versucht mit einem Besenstiel quer über den Kopf durch den Wald zu rennen?

Die Krone des „Königs des Waldes“

Wieso findet man Rotwild dann nur noch im Wald?

Wie so oft hat dieser Lebensraumwechsel seine Ursache bei uns Menschen. Ständige Störungen durch Erholungssuchende und Jäger:innen veranlassten das Rotwild, sich immer weiter in die Wälder zurückzuziehen und sich vom tagaktiven Steppenbewohner hin zu einem größtenteils nachtaktiven Waldbewohner umzustellen. Die Lebensraumzerschneidung durch den Ausbau von Straßen, Bahnschienen und Siedlungen und die Ausweisung von Rotwildgebieten verhindern natürliche Wanderungen zwischen Sommer- und Wintereeinständen. Rotwildgebiete sind gesetzlich festgelegte Gebiete, in denen das Rotwild seinen Lebensraum hat.  Diese Flächen nehmen nur einen sehr kleinen Teil der Landesfläche ein. Dadurch werden die Tiere daran gehindert, ihre natürlichen Wanderungen zwischen Sommer- und Wintereinständen zu nehmen. Diese Isolierung einzelner Populationen führt zu einer Verarmung der genetischen Vielfalt und beeinträchtigt damit die Gesundheit der Tiere.

Feinde vom Rotwild

Die natürlichen Feinde des Rotwildes sind in Deutschland Luchse und Wölfe. Diese beschränken sich aber hauptsächlich auf den jungen Nachwuchs. Ausgewachsene Tiere können sehr wehrhaft sein und deshalb weichen die Raubtiere lieber auf einfachere Beute aus.

Das Leittier ist immer aufmerksam.

Der größte Feind ist der Mensch. Die Jagdstrecke im gesamten Bundesgebiet beträgt jährlich zwischen 70.000 und 80.000 Tiere. Hier ist das Fallwild mit eingeschlossen. Fallwild wird so bezeichnet, wenn ein Tier durch den Straßenverkehr gestorben oder die Todesursache unbekannt ist. Wenn Ihr mehr Informationen zu jagdlichen Hintergründen bekommen möchtet, dann schaut mal in unserer Artikelreihe Wieso wir jagen (müssen) vorbei.

Geschlechtertrennung beim Rotwild

Rotwild sind Rudeltiere. Den Großteil des Jahres verbringen männliche und weibliche Tiere getrennt voneinander. Männliche Tiere bilden Hirschrudel und weibliche Tiere sogenannte Kahlwildrudel, die aus weiblichen Tieren mit deren Nachwuchs, sowie manchmal auch 1-jährigen Hirschen bestehen. Kahlwild heißt übrigens so, weil die weiblichen und jungen Tiere kein Geweih tragen. Ihr Kopf ist also kahl. Angeführt wird ein Rudel von einem erfahrenen Weibchen. Dieses Leittier hat immer ein Kalb bei sich. Wenn es seinen Nachwuchs zum Beispiel durch Krankheit oder durch die Jagd verlieren sollte, wird es entmachtet und ein anderes Tier mit Nachwuchs übernimmt die Führung. Hier kommt den Jäger:innen mal wieder eine große Verantwortung zuteil, um solche Rudelstrukturen zu erkennen und vor allem den Nachwuchs der Leittiere zu schonen.

Während der Brunftzeit kann es zu Zweikämpfen kommen.

Regelmäßig zur Brunftzeit von Mitte September bis Mitte Oktober zieht das Rotwild weite Strecken zu ihren angestammten Brunftplätzen, wo sich die Hirsche und das Kahlwild zur Paarung treffen. Hierbei handelt es sich meistens um Wiesen, die von großen Wäldern umgeben sind. Auf so einem Brunftplatz gibt es einen Platzhirsch, der das Sagen hat. Er fordert für sich das Recht ein, sich mit seinem Kahlwildrudel zu paaren und fortzupflanzen. Bei Rangkämpfen zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern kann es zu schweren Verletzungen kommen. Manchmal verhaken sich die Geweihe auch so stark ineinander, dass sich beide Kontrahenten nicht mehr voneinander lösen können.

Wusstest Du schon…?
Wer schon mal eine Rotwildbrunft miterleben konnte, weiß was für ein Naturspektakel sich alljährlich in unseren Wäldern abspielt. Einen Hirsch im herbstlichen Frühnebel rufen zu hören, kann dem ein oder anderen schon mal eine Gänsehaut bescheren. Wenn Ihr das auch erleben möchtet, könnt Ihr entweder an einer geführten Tour teilnehmen oder auf eigene Faust losziehen. Verheißungsvolle Stellen dafür findet Ihr auf der folgenden Seite: Hirschbrunft erleben!

Die Hirschlegende

Rotwild im Morgennebel sind einfach ein traumhafter Anblick!

Hubertus von Lüttich lebte im 7. Jahrhundert und gilt heute unter dem Namen “Heiliger Hubertus” als Schutzpatron der Jäger:innen. Nach einer christlichen Legende ging Hubertus an einem Karfreitag zur Jagd und traf auf einen Hirsch mit einem Kruzifix auf dem Geweih. Von dieser Begegnung wurde er so geprägt, dass er der Jagd absprach und vom passionierten Jäger zum Nichtjäger wurde. Heute gilt er für christliche Jäger als Vorbild zur Mäßigung und der waidgerechten Jagd. Es gibt sogar ihm zu Ehren einen Feiertag, den sogenannten “Hubertustag” am 3. November.

Wir hoffen wir konnten Euch in diesem Artikel diese interessante Wildart etwas näher bringen. Habt Ihr vielleicht sogar die diesjährige Brunft beobachten können? Erzählt uns gerne Eure Erlebnisse! Vielleicht konntet Ihr ja sogar ein schönes Foto machen.

Quellen:

Hespeler, B., Dr. Baumer, G., Doerenkamp, J., Hilpisch, H., Kellerer, S., Krüger, J., Prof. Dr. Dr. Pohlmeyer, K., Reb, W., Urban, J.: Vor und nach der Jägerprüfung. Krebs Verlag, 60. Auflage
Rotwildbrunft erleben › Rothirsch.org
https://www.jagdverband.de/zahlen-fakten/tiersteckbriefe/rothirsch-cervus-elaphus
Vorlesungsunterlagen HAWK, Modul Wildbiologie