Das Reh ist eine der weit verbreitetsten Wildarten in Europa und kommt in hohen Stückzahlen in Deutschland vor. Warum Rehe keine Schlüpfer tragen, sondern welche sind, erfahrt Ihr unter anderem in diesem Beitrag. Dieser Artikel bildet den Ersten in einer Reihe, in dem wir Euch die Bewohner des Waldes vorstellen möchten.
Sicherlich habt Ihr irgendwo schon ein Reh gesehen. Das Aussehen (Morphologie) des Rehs zeichnet sich durch einen gedrungenen Körperbau aus. Die Hinterläufe sind kräftiger und länger als die Vorderläufe und der hintere Teil des Rumpfes liegt höher als die Schultern (siehe Bild). Die Gestalt des Rehs wird daher als „Schlüpfer“ bezeichnet. Diese Bezeichnung bezieht sich auch auf das Fluchtverhalten vom Reh: Wittert es Gefahren flüchtet es mit wenigen Sprüngen und sucht in der nächsten Deckung nach Schutz. Damit ist es optimal an seinen Lebensraum angepasst. Rehe bewohnen den Waldrand oder dichtes Gebüsch und strukturreiche Mischwälder. Sie fühlen sich jedoch auch auf offenen Feldern und in Parkanlagen wohl und werden aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit als Kulturfolger gesehen.
Merkmale und Kennzeichen vom Reh
Der Mann vom Reh ist kein Hirsch sondern der Rehbock! Dieser ist an einem kleinen Geweih, dem sogenannten Gehörn zu erkennen. Die Ricke trägt kein Gehörn. Rehe wiegen zwischen 18 und 25 kg und werden bis zu 10 Jahre alt, in seltenen Fällen auch älter. Das einjährige Reh nennt man Schmalreh (weiblich) oder Jährling (männlich). Den „Fußabdruck“ des Rehs nennt man Fährte. Weiter unten seht Ihr ein Bild davon. Die Fährte kann man oft in der Natur und im Wald entdecken.
Rehe leben territorial: Ausgewachsene Ricken und Böcke haben ein eigenes Revier, das sie auch gegen Artgenossen verteidigen. Im Winter tun sie sich jedoch mit mehreren Rehen zu sozialen Gruppen zusammen. Diese nennt man „Sprünge“.
Das Reh in der Forstwirtschaft
Rehe sind reine Pflanzenfresser und werden dem Ernährungstypen des Konzentratselektierers zugeordnet. Das bedeutet, dass Rehe selektiv ihre Nahrung nach Energiebedarf/-reichtum und Verfügbarkeit wählen und nicht massenhaft Grünzeug aufnehmen. Sie sind also wahre Feinschmecker! Rehe äsen (fressen) Knospen, Triebe und Blätter von einer Vielzahl von Sträuchern, Bäumen und Kräutern. Dabei hat alles, was selten ist, eine besondere Attraktivität für das Reh. Werden die Knospen einer Jungpflanze abgefressen, kann dies negative Folgen für das Wachstum der Pflanze haben oder auch zum Absterben führen. Dieses Abfressen der Knospen, Triebe und Blätter, nennt man Verbiss. Bei einem zu hohen Verbiss, welcher aus einer zu großen Anzahl an Rehen in einem Gebiet (Populationsdichte) resultiert, kann es zu einem Fehlen mancher Pflanzenarten und Verlusten in der Artenvielfalt kommen. Gerade bei Neuanlagen von Pflanzflächen und auf Freiflächen müssen die Jungpflanzen vor dem Verbiss geschützt werden und dafür die Jagd intensiviert werden. Warum die Jagd generell notwendig ist und was für wichtige Rollen sie übernimmt, erfahrt Ihr demnächst in einem ausführlichen Artikel hier auf Forsterklärt.
Das Reh im Mai
Zwischen Mai und Juni setzt die Ricke ihre Kitze. Meist kommen ein bis zwei, manchmal aber auch drei Kitze zur Welt. In den ersten Tagen werden die Kitze von den Ricken versteckt abgelegt und immer nur zum Säugen aufgesucht. Hier deswegen nochmal der Hinweis: Wenn man ein Kitz alleine findet, bedeutet das nicht, dass dieses hilflos und schutzlos ist! Die Ricke hat das Kitz gezielt dort abgelegt und wird es immer wieder finden. Generell solltet Ihr Jungtiere nie anfassen, da Ihr die Witterung des Menschen hinterlasst und dann die Mutter ihr Jungtier nicht mehr annimmt.
Rehe sind einfach zu beobachten. Die höchsten Chancen habt Ihr in der Morgen- und Abenddämmerung, da die Rehe dann am aktivsten sind. Also macht demnächst mal einen Spaziergang in der Früh oder spät abends, am besten am Waldrand mit Wiesen und Feldern!
Übrigens:
Die Bilder in diesem Beitrag sind von Sebastian Grell, einem großartigen Naturfotografen aus Norddeutschland. Wir dürfen seine Bilder für unser Projekt hier nutzen und können Euch so viele Dinge noch besser erklären.
Schaut gerne mal auf seiner Website vorbei!
Quellen:
- Hespeler, B. (2003): Rehwild Heute. Neue Wege für Hege und Jagd. München, BLV Verlagsgesellschaft mbH. S. 239
- Stubbe, C. (2008): Rehwild Biologie, Ökologie, Hege und Jagd. Stuttgart, Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co. S. 398
- https://www.jagdverband.de/zahlen-fakten/tiersteckbriefe/reh-capreolus-capreolus
- https://jageninderschweiz.ch/wp-content/uploads/jageninderschweiz-leseprobe.pdf
Martin Uphoff
18. Mai 2020 — 16:10
Schöne Zusammenfassung, eine kleinen Vorschlag hätte ich aber: Auch wenn tatsächlich oft von Gehörn die Rede ist, finde ich Bezeichnung sehr unglücklich da Rehe als Trughirsche ein Geweih tragen (Knochenmasse), das jährlich abgeworfen wird. Im Gegensatz dazu tragen die „echten“ Hornträger wie Gams, Muffel und Steinbock ein stetig weiter wachsendes Gehörn, das auch aus Horn (Keratin) besteht und auf den Stirnzapfen wächst. Das ist den Autoren sicherlich auch klar aber der Laie könnte schnell denken es ist das gleiche.
Simon
22. Mai 2020 — 17:59
Moin Martin! Danke für Deine Nachricht und Dein Feedback.
Danke für den Hinweis, hier werden durchaus unterschiedliche Bezeichnungen
verwendet. Wir sprechen jedoch in Bezug auf die Jägersprache von Gehörn.
Freundliche Grüße,
Simon
Bullsharkhuber
26. August 2020 — 23:44
Hallo zusammen,
In den letzten Jahren ist die Jagdzeit für Rehwild immer weiter verlängert worden. Ich möchte hier entgegen der „jagdlichen Tradition des ständigen Nörgelns“ kurz erklären, warum das aus meiner Sicht eine gute Idee ist. Den Grundsatz Wald vor Wild teile ich nicht. Ich bin kein Schädlingsbekämpfer und Schalenwild kein Schädling. Aber eine Reduzierung der Rehwild – Bestände ist in jagdlichem Interesse. Das territoriale Reh bringt nur dann viel Wildbret auf den Haken und große Trophäen an die Wand, wenn es sich nicht mit anderen territorialen Rehen um die Nahrung streiten muss. Gehörnwachstum ist bei Rehen nur zu geringen Anteilen erblich, aber in erheblichem Maße von der Qualität Äßung abhängig. Eine strenge Bejagung in Neuanpflanzungen, auch schon im April (!) bis in den Januar bedeutet doch nicht, dass im Altbestand ebenso Dampf gemacht werden muss. Dort kann der starke Bock ruhig bis zur Blattjagd unbehelligt bleiben. Dort lässt der Forst vielleicht Unterholz stehen, damit er auch Deckung hat. Er wird sein Revier dann schon verteidigen und die jüngeren Abschussböcke in Revierteile drängen, die schärfer bejagt werden.
Auf Drückjagden muss dann auch kein Rehwild mehr frei gegeben werden, wenn seit April Zeit war das Soll zu erfüllen. Ja, es wird am Tag der Drückjagd zwar sowieso beunruhigt, aber die Gefahr dass hoch flüchtige Rehe zu Gulasch werden ist in meinen Augen einfach zu hoch.
Zum Abschluss möchte ich noch erwähnen, dass das oben beschriebene ausdrücklich nicht für das Rotwild gilt.
Simon
24. September 2020 — 15:05
Moin! Vielen Dank für deinen Kommentar zu unserem Artikel.
Sehr interresannte Ansichten, die Du hier mit uns teilst.
Wir stimmen Dir in einigen Punkten zu!