Wenn es einen Baum gibt, den man als Überlebenskünstler bezeichnen kann, dann liegt die Birke wohl weit vorn. Und auch wenn Ihr Euch irgendwann mal in einer Überlebenssituation befindet, ist die Birke Euer bester Freund. Wie Ihr die Birke erkennt, wo Ihr sie finden könnt und welche besonderen Fähigkeiten sie hat, erfahrt Ihr im heutigen Artikel.
So erkennt Ihr eine Birke
Zur Gattung der Birken gehören 40 verschiedene Arten. Bei uns kommt die Hänge-Birke (Betula pendula) am häufigsten vor. In ihrem vergleichsweise kurzen Leben von höchstens 150 Jahren kann sie bis zu 30 Meter hoch wachsen. Die einfachste Möglichkeit, sie zu bestimmen, kennt Ihr sicherlich alle: ihre weiße Rinde. In der Natur sollte man sich allerdings nie ausschließlich auf Farben verlassen. Ihre Blätter sind wechselständig am Trieb angeordnet, oval geformt und besitzen einen doppelt gesägten Blattrand. Im Winter besitzen sie eiförmige Knospen, die sich am Triebende anhäufen.
Birken kommen mit allem zurecht, außer…
mit der Konkurrenz anderer Baumarten. Diesen Satz haben wir in unserem Forststudium gelernt und er trifft es ziemlich genau. Was das bedeutet, erklären wir Euch jetzt. An ihren Standort stellt die Birke keine großen Ansprüche. Sie kommt gleichzeitig mit sehr viel, aber auch sehr wenig Wasser zurecht und benötigt nur wenige Nährstoffe. Ihr hoher Bedarf an Sonnenlicht ist sowohl ihre Stärke als auch ihre Schwäche.
Birken gehören zu den sogenannten Pionierbaumarten. Sie können sich durch den Wind über große Entfernungen verbreiten. Sie sind die ersten Bäume, die auf Kalamitätsflächen anwachsen und die hohe Sonneneinstrahlung genießen. Försterinnen und Förster nutzen diese Eigenschaft, um Schatten zu spenden und dadurch zum Beispiel Brombeere oder große Reitgräser möglichst klein zu halten. Die würden ansonsten die Freiflächen sehr schnell erobern und eine Pflanzung neuer Eichen oder Douglasien unmöglich machen. Sobald die neuen Hauptbaumarten gewachsen sind, hat die Birke schnell keine Chance mehr und wird von anderen Bäumen verdrängt. Mehr dazu könnt Ihr in unserem Artikel über die Waldpflege nachlesen.
Moor-Birke: Baum des Jahres 2023
Neben der Hänge-Birke gibt es noch eine zweite heimische Birkenart in Europa, die Moor-Birke (Betula pubescens). Sie sieht auf den ersten Blick fast genauso aus wie ihre Verwandte. Um sie zu unterscheiden, muss man schon sehr genau hinschauen. So hat die Moor-Birke beispielsweise kurze Haare am Trieb und an den Knospen. Die Hänge-Birke dagegen ist kahl. Die Besonderheit der Moor-Birke ist ihre Kältetoleranz. Sie wächst vor allem in Grönland, Skandinavien und sogar Sibirien. Bei uns teilt sie sich den Standort mit der Hänge-Birke. Zum Baum des Jahres 2023 wurde die Moor-Birke gekürt, um auf die große Relevanz unserer Moorgebiete aufmerksam zu machen. Moore können einen großen Beitrag im Kampf gegen die Klimaerwärmung beisteuern, doch die meisten Moore befinden sich in einem schlechten Zustand. Mehr über Moore haben wir bereits in einem anderen Artikel geschrieben.
Bibi Blocksberg und Bear Grylls lieben sie
Birken haben heilende Kräfte. Schon im Mittelalter haben Menschen aus den Blättern und der Rinde einer Birke Tee gegen Nierenprobleme oder bei einer Blasenentzündung gekocht. Auch bei Hautproblemen und Rheuma sollen die ätherischen Öle in den Birkenblättern helfen.
In der Outdoor-Szene im sogenannten Bushcrafting (eine Art minimalistisches Camping) oder in wirklichen Überlebenssituationen ist die Birke eine wahre Goldgrube. Ihre Rinde enthält genau wie die Blätter ätherische Öle, wodurch sie sogar im nassen Zustand als Zunder für ein Feuer dienen kann. Dazu sammelt man einfach ein bisschen Rinde von einer abgestorbenen Birke und schabt mit dem Messer ganz leicht über die Rinde, um eine rauere Oberfläche zu erhalten. Jetzt reicht schon ein kleiner Funke, um sie zum Brennen zu bringen.
Die unter der Rinde liegende Kambiumschicht, also die Schicht zwischen Holz und Rinde, kann man als Notnahrung nutzen. Sie enthält zwar nicht sehr viele Kalorien, aber sie kann in einer kritischen Situation möglicherweise den entscheidenden Unterschied machen. Angeblich soll sich das Kambium am besten wie Spaghetti kochen lassen.
Und auch etwas zu Trinken kann man aus der Birke bekommen, zumindest im Frühjahr vor dem Blattaustrieb. Jetzt pumpt der Baum extrem viel Wasser bis in die Kronen. Wer sein Ohr an den Stamm hält, kann das Wasser sogar manchmal rauschen hören. Wenn Ihr jetzt mit dem Messer ein kleines Loch in den Stamm schneidet und dort einen Stock reinsteckt, fließt das Wasser direkt aus dem Baum heraus und Ihr benötigt nur noch ein Gefäß, um es aufzufangen. Den leicht süßlichen Birkensaft könnt Ihr wunderbar trinken. Da Ihr dem Baum damit schadet, dürft Ihr ein solches Verfahren nur in einem wirklichen Notfall einsetzen.
Forstliches Unkraut?
Birken werden bei uns meist nur als dienende Baumart verstanden. Man nutzt also ihre verschiedenen Eigenschaften, um die eigentliche Hauptbaumart zu fördern. Jahrzehntelang galt sie unter Försterinnen und Förstern sogar als “forstliches Unkraut” und wurde bei der Jungbestandspflege entfernt, um Platz für andere Bäume zu schaffen.
Doch wir tun der Birke damit ein wenig Unrecht. Denn sie hat tolle Holzeigenschaften und lässt sich relativ einfach in einem Wald etablieren. Andere Länder, wie zum Beispiel Schweden, haben das schon lange verstanden. Dort gehört sie zu den wirtschaftlich wichtigsten Laubbaumarten. Ihr helles, etwas gelbliches Holz wird gerne im Möbelbau verwendet. Außerdem lassen sich Sperrholz- und Spanplatten oder Furniere aus dem Holz herstellen. Und als begehrtes Kaminholz lässt sich die Birke ebenfalls verwenden. Nur im Außenbereich werdet Ihr sie nicht finden. Da das Holz nicht witterungsbeständig ist, können sich schnell Pilze entwickeln, die das Holz marode werden lassen.
Zukünftig wird die Birke vermutlich auch in Deutschland eine wichtigere Rolle spielen. Denn sie bietet viele wirtschaftliche und ökologische Vorteile. Bei den ganzen Freiflächen kann die Birke aufgrund ihres schnellen Wachstums nach kurzer Zeit für einen neuen Wald sorgen – und das ganz kostenlos durch Naturverjüngung. Außerdem benötigt sie wenig Pflege und ist sehr anpassungsfähig an neue Umgebungen. Was meint Ihr, eine Baumart mit viel Potenzial oder doch eher Unkraut?