Stellt Euch vor, Ihr wollt einen gemütlichen Sonntagsspaziergang machen, am liebsten im Wald (da riecht es immer so frisch). Angekommen müsst Ihr feststellen, dass dort, wo früher der Wald stand, jetzt eine große kahle Fläche entstanden ist. Hier und da seht Ihr krank aussehende Bäume. Ihr kriegt das Gefühl, eher auf eine Mondlandschaft als auf einen Wald zu schauen. Dieses Bild ist leider an vielen Orten Deutschlands die Realität. Wie es dazu kam, dass unsere Wälder so scheiße aussehen, erfahrt Ihr in diesem Artikel.

Ein Blick in die Vergangenheit

Wald gab es eigentlich schon immer in Deutschland, auch schon lange bevor wir Menschen überhaupt auf die Idee gekommen sind, ihn zu nutzen oder überhaupt zu kultivieren. Wenn wir uns die Probleme, die unser Wald heute hat, anschauen wollen, dann müssen wir nicht ganz so weit in die Vergangenheit schauen. Eine Buche wird, je nachdem wie dick sie ist, im Alter von 100 bis 120 Jahren gefällt. Dieser Zeitraum wird von Förster:innen “Umtriebszeit” genannt. Unser heutiger Wald entstand demnach vor ungefähr 80 bis 100 Jahren. Was war zu dieser Zeit in Deutschland los? Für eine ausführliche Antwort – mit schönen Bildern – schaut Euch gerne unser Video zu dem Thema an. 

Kurz gefasst: In der Nachkriegszeit gab es einen großen Bedarf an Bauholz, zum einen wurde es für die Reparationszahlungen an die Alliierten benötigt und zum anderen, um die zerstörten Städte wieder aufzubauen. Hinzu kommt, dass die Nationalsozialisten im Vorfeld schlecht mit dem Wald umgegangen sind, wodurch sowieso schon ein Mangel an Holz entstanden ist.

Wusstest Du schon…?
Die Hasel (Corylus avellana) war nach der letzten Eiszeit die Hauptbaumart in Europa. Genauso wie heute bei der Buche, gab es damals Wälder aus Haselnuss-Sträuchern, bis sie von der Eiche abgelöst wurden.

In einem Fichtenzapfen stecken jede Menge dieser kleinen Samen.

In der Not pflanzt der Teufel Fichte

Die Lösung fanden die Förster:innen der damaligen Zeit in der Fichte (Picea abies). Die Gemeine Fichte ist eine schnell wachsende Baumart, die dabei vor allem schön gerade wächst. Außerdem kommt sie ziemlich gut mit verschiedensten Standorten zurecht. Allerdings ist die Fichte in Deutschland lediglich in Gebirgslagen heimisch, wie z.B. in den Alpen oder im Harz. Trotzdem pflanzten die Förster:innen viele dieser Bäume in Monokulturen bzw. Reinbestände im kompletten Land. Die ernste Lage erforderte es. Rückblickend können wir  mit unserem neu erworbenen Wissen natürlich urteilen und feststellen, dass das vielleicht nicht die beste Idee war. Damals wussten die Leute jedoch noch wenig vom Klimawandel und schon gar nichts von den Auswirkungen auf den Wald. 

Der Klimawandel wandelt

Der Klimawandel bringt eine Menge Veränderungen und Probleme mit sich: die Temperaturen steigen, es wird trockener und extreme Ereignisse, wie Dürren, Überflutungen und Flächenbrände häufen sich. Und im Wald? Der Grundwasserspiegel sinkt und damit die Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen. Der Boden wird trocken und rissig, wodurch er seine Schwamm-Wirkung zum Wasser halten verliert. Dadurch leiden die Bäume an Trockenstress und an diesen gestressten Bäumen fühlen sich Sekundärschädlinge besonders wohl. Im Falle der Fichte wären das der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) und der Buchdrucker (Ips typographus). Allgemein sind sie Euch vermutlich als “Borkenkäfer” bekannt. Bedingt durch die Reinbestände und fehlenden Gegenspielern, kommt es zur Massenvermehrung. Aber auch andere Bäume sind von Sekundärschädlingen betroffen, wie z.B. die Buche oder die Eiche. Außerdem steigt die Waldbrandgefahr und die Anzahl an tatsächlichen Waldbränden. Puh, das ist ganz schön viel!

Auf der Freifläche kommt schon die Naturverjüngung.

Gute und schlechte Neuigkeiten

Konkrete Auswirkungen könnt Ihr in der neuen Bundeswaldinventur nachlesen. Einige wichtige Aspekte: die Wissenschaftler:innen haben festgestellt, dass unser Wald zu einer Kohlenstoffquelle geworden ist, das heißt, dass er mehr Kohlenstoff abgibt als er aufnimmt. Bei einem gesunden Wald ist es genau anders herum. Außerdem hat die Menge an Fichten im Wald stark abgenommen. Es gibt aber auch gute Nachrichten! Die Wälder werden strukturreicher. Das bedeutet zum einen, dass die Wälder aus jungen, mittelalten und alten Bäumen bestehen (vertikale Struktur). Zum anderen heißt es, dass die Wälder aus verschiedensten Baumarten zusammengesetzt sind (horizontale Struktur). Diese Vielfalt erzeugt so etwas wie eine Kettenreaktion: Strukturreichtum führt zu einer Vielfalt an Arten und genetischem Material, wodurch das Ökosystem des Waldes besser auf Veränderungen der Umwelt reagieren kann. Trotzdem hat der Wald Hilfe nötig.

Wusstest Du schon…?
Die Eiche ist ein besonders beliebter Kandidat zur Anpflanzung auf Freiflächen. Sie ist eine Lichtbaumart, die eine gute Anpassungsfähigkeit gegenüber Störungen aufweist. Damit ist sie ideal für einen Wald der Zukunft geeignet.

Ein Licht im Wald

Die Kalamitäten bieten uns einige Chancen. Mit der Zeit haben sich nämlich unsere Ansprüche an den Wald gewandelt. Mittlerweile muss er nicht nur Holz liefern, sondern Kohlenstoff speichern, biodivers sein und uns Raum zur Erholung bieten (hier findet Ihr einen Artikel zu Kur- und Heilwäldern). Deshalb brauchen wir Förster:innen, die den Wald ein wenig lenken, sodass er möglichst viele unserer Bedürfnisse erfüllt.

Wissenschaftler:innen forschen an der Frage, welche Baumarten in Zukunft gut an die Bedingungen in Deutschland angepasst sein werden. Dazu gibt es sogar schon einige Ergebnisse! Trotzdem dauert diese Art von Versuchen lange, schon allein weil Bäume unglaublich alt werden können. Dieses Wissen nutzen dann die Förster:innen bei ihrer Auswahl von Arten, die sie dann auf die Freifläche pflanzen. 

Allerdings sollten wir nicht nur zu sehen, dass unsere Wälder klimastabil und produktiv sind, damit sie weiter unsere Bedürfnisse decken. Um dem Wald entgegenzukommen, sollten wir uns überlegen, wie wir unser Konsumverhalten ändern können. Dann kann unser Bedarf nämlich leichter mithilfe der vorhandenen Ressourcen gedeckt werden. Anregungen dazu findet Ihr hier.

Gepflanzte Bäumchen vor dem Verbiss geschützt.

Das Ökosystem Wald ist furchtbar komplex und von vielen Zusammenhängen haben wir gar keine Ahnung. Deshalb ist es wichtig, dass wir weiter forschen und weiter unseren Teil dazu beitragen, unsere Wälder zu schützen. Wie sieht der Wald bei Euch vor der Haustür aus und was könnt Ihr ihm Gutes tun? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

Quellen:

https://forsterklaert.de/die-rotbuche

https://www.bmz.de/de/themen/klimawandel-und-entwicklung/folgen-des-klimawandels-124774

https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/wald-trockenheit-klimawandel.html

https://www.thuenen.de/de/themenfelder/waelder/die-bundeswaldinventur/ergebnisse-der-bundeswaldinventur-2022

https://www.bundeswaldinventur.de/vierte-bundeswaldinventur-2022/zusammenfassung

https://www.nw-fva.de/forschen/waldbau

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/143_2024_texte_wadklim.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeine_Hasel#Verbreitung_und_Florengeschichte

https://www.nw-fva.de/forschen/projekte/kph-anpassungspotenziale-eichenarten

Vorlesung Waldbau, C. Ammer, Georg-August-Universität Göttingen

Vorlesung Vegetationskunde, P. Fischer, Georg-August-Universität Göttingen