In einem unserer Videos haben wir Euch bereits erklärt, wie man durch das Pflanzen von Bäumen ein neuer Wald begründen kann. Doch Wald entsteht nicht nur aus menschlicher Hand, sondern auch aus ganz natürlicher Entwicklung. Wenn Bäume ihre Samen abwerfen und daraus kleine Bäume wachsen, sprechen Förster:innen von Naturverjüngung. Was das genau bedeutet und welche Vor- und Nachteile die natürliche Verjüngung hat, möchten wir Euch im folgenden Artikel erklären.

Auch der Baum des Jahres, der Ilex, kann als Naturverjüngung gefunden werden

Was ist Naturverjüngung?

Bäume vermehren sich über ihre Samen. Diese können sehr klein sein, wie der Samen einer Fichte, oder sehr groß und von einer Frucht umgeben, wie bei einer Eichel. Sind die Samen ausgereift, werden sie rund um den Baum verteilt. Jede Baumart besitzt ihre eigene Strategie zur Samenvermehrung. Sehr leichte Samen werden beispielsweise vom Wind davongetragen, andere fallen direkt zu Boden. Der Wind trägt den Samen des Bergahorns mit seiner propellerartigen Frucht über hundert Meter weit. Die Eichel hingegen fällt plump vom Baum hinunter. Sie ist darauf angewiesen, dass Tiere wie beispielsweise der Eichelhäher oder das Eichhörnchen sie irgendwo verstecken und im Winter vergessen. Am Boden angelangt, beginnen die Samen im Frühling zu keimen. In diesem Stadium nennt man den Baum Keimling. Auf diesem Weg verjüngt sich der Wald ganz natürlich und ohne menschlichen Einfluss.

Den Keimling der Buche nennt man auch Elefantenohr.

Ein Hauen und Stechen

Je Hektar können jedes Jahr hunderttausende Bäumchen sprießen. Im hohen Alter werden es hingegen nur noch wenige Hundert sein. Nun beginnt also eine Phase des extremen Konkurrenzkampfes. Es heißt, mehr Wasser, mehr Licht und mehr Nährstoffe als der Nachbarbaum zu erringen, um schneller und höher Richtung Sonne zu wachsen. Die jungen Pflanzen überwachsen einander, sodass der Nachbarbaum weniger Licht bekommt und daraus folgend abstirbt. So stehen dem schnellsten und größten Bäumchen mehr Platz und damit mehr Wasser, mehr Licht und mehr Nährstoffe zu. Es erfolgt also eine natürliche Selektion.

Diese Fichte hat sich eine besondere Nische ausgesucht. Sie wächst auf einem toten Fichtenstumpf. Förster:innen nennen das witzelnd Kadaververjüngung.

Wusstest Du schon…?
Auch Wildtiere haben einen großen Einfluss auf die Naturverjüngung. Rehwild und Co. fressen fleißig Blätter und Knospen und stören die Bäume beim wachsen. Das ist einer der vielen Gründe, wieso die Jagd eine wichtige Rolle für die Verjüngung des Waldes spielt.

Naturverjüngung in der Forstwirtschaft und seine Vorteile

Es gibt zwei Möglichkeiten, damit an den Stellen, an denen Bäume gefällt wurden, auch wieder welche wachsen. Entweder die Forstwirt:innen säen oder pflanzen junge Bäume aus Baumschulen oder man lässt der Natur freien Lauf. Beides hat Vor- und Nachteile. Nun soll es aber erst einmal um die Vorteile gehen.

Eine Eiche kann Zehntausende Eicheln in einem Jahr abwerfen.

Wie oben beschrieben, schafft die Natur es, hunderttausende kleine Bäume je Hektar zu pflanzen, der Mensch hingegen nur 2.500 bis 10.000 je Hektar. Denn Bäume zu pflanzen, kostet vor allem Zeit und Geld. Das sind gleich zwei Vorteile der Naturverjüngung. Die Verjüngung bietet mit einer so hohen Zahl von jungen Bäumen eine gute Basis für eine natürliche Auslese. Durch den unausweichlichen Konkurrenzkampf ist es wahrscheinlicher, dass sich der Baum durchsetzt, der am besten an den Standort angepasst ist und am schnellsten wächst. Der zweite Vorteil ist die Ersparnis von Kosten. Jeder künstlich gepflanzte Baum kostet Geld. Die Kosten variieren dabei zwischen einem und fünf Euro, in Abhängigkeit von der  Baumart, Größe und dem Arbeitsaufwand. Die Natur macht ihren Job hingegen völlig kostenlos.

Betrachtet man den Wald mit Blick auf den Klimawandel, dann haben die Bäume, die gut an den Standort angepasst sind und den ein oder anderen trockenen Sommer und starken Sturm überlebt haben, die besten Überlebenschancen. Genau diese werden auch nur ihre Samen verteilen können. Die Chance, dass die Nachkommen ebenfalls besser gegen den Klimawandel gewappnet sind, ist also höher.

Unser Video zur Naturverjüngung mit Förster Henning

Bäume aus Baumschulen

Weiter werden die Bäumchen in den Baumschulen gut gedüngt und verschult. So nennt man die Entnahme aus dem Boden und das umpflanzen. Spätestens wenn die Bäume aber in den Wald gebracht werden, müssen sie aus dem Boden. Dabei werden die Wurzeln geschädigt und der Baum geschwächt. Im Wald können die Bäume, die aus natürlicher Verjüngung entstanden sind, ihre Wurzeln ungestört von Beginn an entwickeln. Außerdem gibt es im Wald keinen künstlichen Dünger. Baumschulpflanzen können dagegen einen Pflanzschock erfahren. Das heißt, dass der Unterschied zwischen Baumschulerde und Waldboden so groß ist, dass die Bäumchen kränkeln oder gar sterben. Gut gedüngte Pflanzen schmecken auch leckerer und werden vom Wild häufiger verbissen.

Für Baumschulpflanzen erntet man die Samen von sogenannten Mutterbäumen mit besonderer Qualität. Häufig mit besonderem Augenmerk auf die Qualität des Stammes, der für gutes Holz sorgt. Diese Samen werden immer und immer wieder genutzt. Damit werden aber auch immer nur die gleichen Gene verbreitet. Im Wald verjüngt sich hingegen jeder Baum, der dort steht. Der Genpool bleibt also deutlich differenzierter und verarmt nicht.

Dieser junge Bergahorn hat sich selbst ausgesät.

Was sind die Nachteile von Naturverjüngung?

In Deutschland ist in den letzten Jahren eine Fläche so groß wie das Saarland durch Borkenkäfer, Dürre und Stürme entwaldet worden. Nun heißt es also aufforsten. Förster:innen und Forstwirt:innen, zahlreiche Projekte und fleißige Bürger:innen pflanzen die Bäume für den Wald von morgen. Aber wieso machen die das, wenn die Natur doch so einen guten Job macht? Klar, würde auf diesen sogenannten Freiflächen auch wieder Wald entstehen. Da aber kaum Mutterbäume auf den Flächen stehen, würde die Birke die Fläche besiedeln. Ihre Samen sind leicht, fliegen weit und sie keimen zudem auf fast jedem Boden. Die Birke wächst zwar schnell, ihr Holz ist in seiner Verwendung jedoch sehr eingeschränkt. Beispielsweise lässt sich das Holz der Birke nicht für den Bau von Dachstühlen nutzen und im Außenbereich beginnt es gleich zu verrotten. Ziel ist es allerdings, auf dem Großteil der Waldfläche Deutschlands einen Wald zu schaffen, der den nachhaltigen Rohstoff Holz erzeugt.

Es sollen also andere Baumarten wachsen, deren Holz man besser nutzen kann. Die Fichte, die meist auf den entwaldeten Flächen stand und noch dort wächst, würde sich natürlich verjüngen. Die gleiche Baumart am gleichen Ort zu haben, die zuvor auf Grund der Folgen des Klimawandels eingegangen ist, ist allerdings auch nicht ganz clever, oder? Es müssen also noch andere Baumarten her. Dazu nutzt man dann eben Jungpflanzen aus den Baumschulen.

Einmal Baumschule, danach Naturverjüngung

Ziel ist es, einen Wald zu entwickeln, der unterschiedlich alte Bäume von unterschiedlicher Art beheimatet. Dieser ist nach aktuellem Kenntnisstand am besten gegen Klimawandel gewappnet.

Diese werden aber nicht nur mit dem Ziel der Holzproduktion gepflanzt, sondern damit sie in einigen Jahrzehnten selbst einmal für die natürliche Verjüngung zu sorgen. Außerdem sorgen viele Baumarten dafür, dass der Wald besser gegen den Klimawandel gewappnet ist. So zumindest der heutige Kenntnisstand. Unterschiedliche Baumarten sorgen außerdem für eine höhere Biodiversität. Sie sind je nach Art und Alter Lebensraum für unzählige andere Lebewesen. Das gleiche gilt übrigens auch für den Umbau von Reinbeständen zu Mischwäldern. Riesige Flächen mit der gleichen Baumart, wie Fichte oder Kiefer, können nur mit der Hilfe des Menschen in kurzer Zeit umgebaut und fit für den Klimawandel gemacht werden. 

Also, Naturverjüngung ja oder nein?

Naturverjüngung hat also Vor- und Nachteile. Diese muss man je nach Fläche abwägen. Dazu müssen Überlegungen angestellt werden: Sind genug und die richtigen Mutterbäume vorhanden? Erreicht man die gesetzten Ziele mit der Naturverjüngung? Können Förster:innen nah an der Natur arbeiten und die Prozesse nutzen? Denn das spart vor allem Zeit und Geld! Oder muss man an manch einer Stelle der Natur unter die Arme greifen, damit ein klimastabiler Mischwald entstehen kann?

Totgeglaubt, doch dieser Stumpf treibt wieder aus.

All diese Fragen beschäftigen Förster:innen tagtäglich und sind nicht immer einfach zu beantworten. Genau deswegen finden wir den Job so spannend. Wenn Du mehr über die Forstwirtschaft lernen möchtest, schau gerne durch unsere zahlreichen Artikel!

Quellen:

LWF, Naturverjüngung – Potenzial für die Zukunft:
https://www.lwf.bayern.de/service/publikationen/lwf_merkblatt/112935/index.php
LWF, Naturverjüngung aus Sicht des Waldnaturschutzes: https://www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/waldbau/064611/index.php
waldwissen.net, Zielgerichtet natürlich verjüngen:
https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/waldverjuengung/gezielt-natuerlich-verjuengen