Seid Ihr schon mal einem Waschbären über den Weg gelaufen? Die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht so gering. Denn die eigentlich nachtaktiven Tiere ziehen regelmäßig durch die Straßen von Großstädten wie Berlin oder Kassel, plündern dort die Mülltonnen der Anwohner:innen und vermehren sich in rasantem Tempo. In den 1920er Jahren wurden sie für die Pelzzucht aus Nordamerika nach Deutschland gebracht und gelten damit als Neozoen. Was es damit auf sich hat und welche Probleme sich durch Neozoen für das gesamte Ökosystem ergeben können, erfahrt Ihr in diesem Artikel.

Die Renaisscance im 15. und 16. Jahrhundert war die Zeit der Entdeckungen. Hier hat Christoph Kolumbus Amerika entdeckt.

Wie kommen Neozoen zu uns?

Neozoen sind Tiere, die sich nach dem Jahr 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus) durch uns Menschen in Gebieten verbreitet haben, die sie ohne Hilfe nicht erreicht hätten. Das pflanzliche Pendant zu Neozoen nennt man Neophyt (mehr zu fremden Baumarten findest Du hier).

Die Verbreitungsgebiete von Tierarten unterliegen einem ständigen natürlichen Wandel. Das hängt mit Umweltbedingungen wie zum Beispiel Nahrungsverfügbarkeit oder dem Klima zusammen. Eine natürliche Verbreitung schreitet nur langsam, Stück für Stück voran. So kann sich das Ökosystem auf die Veränderungen einstellen. Das ist der wesentliche Unterschied zur menschengemachten Verbreitung von Neozoen. Wenn eine Art, die nur in Amerika vorhanden ist, plötzlich im Fluggepäck mit nach Deutschland kommt, kann das ein totales Chaos im hiesigen Ökosystem verursachen.

Wenn die Tiere als blinder Passagier mitreisen, ist das jedoch normalerweise ein Versehen. Oft überleben diese Arten nicht lange oder können sich wegen fehlender Partner nicht vermehren. Anders sieht es bei Pelzfarmen aus. Aus den häufig in Osteuropa ansässigen Betrieben ist es mehrmals zu Ausbrüchen gekommen. Viele dieser Tiere stammen aus Amerika und haben sich rasend schnell in ganz Europa ausgebreitet. So kommt es, dass Waschbär, Bisam, Mink & Co Deutschland heute als ihre Heimat bezeichnen können.

Bei der Zucht von Pelzen für beispielsweise solche Jacken können die Tiere manchmal flüchten und verbreiten sich dann ungehindert.

Bedrohung der Artenvielfalt

Manche Tiere, die wir Menschen in Deutschland ausgewildert haben, verursachen keine Probleme. Ein Beispiel hierfür ist das Muffelwild, das im 20. Jahrhundert zu jagdlichen Zwecken aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland kam. Und obwohl es ein vergleichsweise sehr großes Säugetier ist, ist es zu keinen nennenswerten Konflikten mit anderen Tierarten gekommen. Das liegt daran, dass seine Nahrung vor allem aus Gräsern besteht. Diese ökologische Nische war bis dato von keinem heimischen Tier besetzt. Deshalb tritt es nicht in Nahrungskonkurrenz zum heimischen Reh– und Rotwild.

Muffelwild hat seine Heimat auf den Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien.

Problematisch wird es dann, wenn Tiere, die sich auf unnatürliche Weise etabliert haben, in Konkurrenz mit der heimischen Fauna treten und diese verdrängt. Ab diesem Zeitpunkt gelten sie als invasive Art. Zum Beispiel hat der Mink (Amerikanischer Nerz) den heimischen Europäischen Nerz vielerorts bereits verschwinden lassen. Schlimmstenfalls führt das zu einem Aussterben der heimischen Tierart und trägt damit zum globalen Artensterben bei. Somit bedrohen Neobiota (Oberbegriff für Neozoen und Neophyten) die biologische Vielfalt.

Wusstest Du schon…?
Die sogenannte “Zehner-Regel” besagt, dass 10% aller eingeführten/eingeschleppten Arten sich unbeständig halten können. 10% davon etablieren sich dauerhaft in naturnahen Lebensräumen. Und davon wiederum gelten 10% als invasiv. Das heißt, von 1.000 eingeführten Arten ist statistisch eine Art invasiv.

Auch unter Wasser ein Problem

Nicht nur an Land, sondern besonders auch im Wasser können Arten eingeschleppt werden. Wenn man neue Kanäle baut, bieten solche Wasserstraßen vielen aquatischen Tierarten ein neues Verbreitungsgebiet. Sehr unmobile Arten wie Krebse können sich auch einfach an ein Schiff heften und als Passagier auf Expedition gehen. Ein aktuelles Beispiel unter den Fischen ist die Schwarzmundgrundel. Sie stammt aus Osteuropa und dem nahen Osten und hat in nur wenigen Jahren nahezu alle deutschen Gewässer besiedelt und steht jetzt in Konkurrenz zu vielen heimischen Fischen. Bei den heimischen Edelkrebsen zeigt sich das Ausmaß der Probleme noch deutlicher. Sie haben sowieso schon mit der Bebauung von Gewässern und deren Schadstoffbelastung zu kämpfen. Allerdings ist die größte Bedrohung für ihre Existenz die sogenannte Krebspest. Das ist eine Krankheit, die durch die Ansiedlung von amerikanischen Flusskrebsen eingeschleppt wurde.

Neozoen können eine ernsthafte Bedrohung für die globale Artenvielfalt sein.

Was tun mit den Neozoen?

Wie gehen wir also mit dem Waschbären in der Mülltonne um? Manche sagen, dass sie eigentlich schon zur heimischen Tierwelt dazugehören und man sie in Ruhe lassen sollte. Hier lässt man meistens außer Acht, welche Auswirkungen die Waschbären auf unsere heimische Tierwelt haben können. Andere Leute fordern die Ausrottung der Tiere. Das ist leichter gesagt als getan. Expert:innen sagen, dass sie Waschbären durch die Jagd in ihrem Bestand nicht reduzieren oder gar ausrotten können. 

Was würdet Ihr sagen, wie man mit dem Problem der Neozoen umgehen sollte? Einfach alles seinen Weg gehen lassen, weil man eh nichts mehr ändern kann? Oder alle Maßnahmen ergreifen, um die heimische Fauna bestmöglich zu schützen?